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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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aus der Haut! Du weißt, Gloria ist meine Cousine, und du bist einer meiner ältesten Freunde, da ist es doch nur natürlich, dass ich hellhörig werde, wenn ich erfahre, dass du vor die Hunde gehst – und sie mitzerrst.«
    »Ich lasse mir keine Predigt halten.«
    »Ist ja schon gut. Wie wär’s, wenn du zu mir kommst und einen mittrinkst? Ich habe mich gerade eingerichtet. Ich habe einem Zollbeamten drei Kisten Gordon Gin abgekauft.«
    Als sie weiterliefen, fuhr er in einem Anfall von [541] Verzweiflung fort: »Und was ist mit dem Geld von deinem Großvater – kriegst du das nun?«
    »Ach«, antwortete Anthony aufgebracht, »Haight, dieser alte Narr, scheint die Hoffnung nicht aufgegeben zu haben, zumal die Leute die Reformer inzwischen leid sind – verstehst du, es könnte zum Beispiel durchaus einen Unterschied machen, ob ein Richter der Meinung ist, dass Adam Patch es ihm erschwert hat, an Alkohol heranzukommen.«
    »Du kannst nicht ohne Geld auskommen«, sagte Dick sentenziös. »Hast du in letzter Zeit versucht zu schreiben?«
    Anthony schüttelte stumm den Kopf.
    »Das ist merkwürdig«, sagte Dick. »Ich dachte immer, du und Maury, eines Tages würdet ihr schreiben, und jetzt ist er eine Art knauseriger Aristokrat geworden, und du…«
    »Ich bin das schlechte Beispiel.«
    »Wieso das?«
    »Wahrscheinlich bildest du dir ein, du wüsstest Bescheid«, unterstellte Anthony, sich mühsam konzentrierend. »Der Versager und der Erfolgreiche glauben beide zuinnerst, dass sie genau austarierte Standpunkte haben, der Erfolgreiche, weil er Erfolg, der Versager, weil er versagt hat. Der Erfolgsmensch sagt seinem Sohn, er solle aus dem Glück seines Vaters Nutzen ziehen, der Versager dem seinen, er solle aus den Fehlern seines Vaters lernen.«
    »Da bin ich anderer Meinung«, sagte der Autor von Ein frischgebackener Leutnant in Frankreich. »Als wir jung waren, habe ich immer dir und Maury zugehört, und ich war beeindruckt, weil du so konsequent zynisch warst, aber jetzt – Menschenskinder, wer von uns dreien führt denn nun ein – das Leben eines Intellektuellen? Ich will ja nicht [542] großsprecherisch klingen, aber – das bin nun einmal ich, und ich habe immer daran geglaubt, dass es sittliche Werte gibt, und werde immer daran glauben.«
    »Nun ja«, wandte Anthony ein, der sich ziemlich amüsierte, »selbst wenn ich dir das zugestehe, so weißt du doch, dass die Probleme, vor die uns das Leben stellt, in der Praxis niemals klar umrissen sind, oder?«
    »Bei mir schon. Es gibt nichts, wofür ich bestimmte Grundsätze verletzen würde.«
    »Aber woher willst du denn wissen, wann du sie verletzt? Du hast doch keine Ahnung, wie die meisten anderen Menschen auch. Du kannst erst im Nachhinein die Werte zuordnen. Und dann vollendest du das Porträt – malst die Details und die Schatten.«
    Dick schüttelte mit hochmütiger Hartnäckigkeit den Kopf.
    »Immer noch der alte sinnlose Zyniker«, sagte er. »Das ist nur eine Art von Selbstmitleid. Du tust nichts – also zählt auch nichts.«
    »Oh, ich bin durchaus zu Selbstmitleid fähig«, gab Anthony zu, »ich behaupte auch nicht, aus dem Leben so viel Spaß herauszuschlagen wie du.«
    »Du sagst – jedenfalls hast du früher gesagt –, dass Glück das Einzige im Leben ist, was sich lohnt. Glaubst du, du bist glücklicher, wenn du Pessimist bist?«
    Anthony knurrte wütend. Sein Vergnügen an der Unterhaltung begann nachzulassen. Er war unruhig und sehnte sich nach einem Drink.
    »Menschenskinder!«, rief er. »Wo wohnst du denn nur? Ich kann nicht ewig weiterlaufen.«
    [543] »Deine Ausdauer ist rein geistiger Natur, wie?«, erwiderte Dick ungehalten. »Ich wohne gleich hier.«
    Er bog in ein Mietshaus in der 49. Straße ein, und wenige Minuten später befanden sie sich in einem geräumigen neuen Zimmer mit offenem Kamin und vier Bücherwänden. Ein farbiger Butler servierte ihnen Gin-Cocktails, und eine Stunde verstrich mit höflichem Geplauder, dem sanften Zur-Neige-Gehen ihrer Drinks und der Glut eines niedrigen Kaminfeuers im Mittherbst.
    »Die Künste sind sehr alt«, sagte Anthony nach einer Weile. Nach ein paar Gläsern ließ die Anspannung seiner Nerven nach, und er merkte, dass er wieder denken konnte.
    »Welche Künste?«
    »Alle. Die Lyrik stirbt als Erste. Früher oder später wird sie von der Prosa aufgesogen werden. Zum Bespiel gehören das schöne Wort, das farbige und glitzernde Wort, und der schöne Vergleich heute der Prosa an. Um sich

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