Die Schönen und Verdammten
ihm, als sei die Anekdote, die Pete soeben erzählt hatte, außergewöhnlich und zutiefst lustig gewesen – und er befand, wie er es jeden Tag um diese Zeit tat, dass sie »Teufel noch eins! verdammt nette Kerls« waren, die mehr für ihn tun würden als alle anderen, die er kannte. Samstagnachts hatten die Pfandleihgeschäfte bis spät auf, und er spürte, dass er nur noch ein Glas brauchte, um eine herrlich rosige Heiterkeit zu erlangen.
Listig fischte er in seinen Westentaschen, holte seine beiden Vierteldollarmünzen hervor und starrte sie an, als wäre er völlig überrascht.
»Ich will verdammt sein«, beteuerte er in bekümmertem Tonfall, »da bin ich doch tatsächlich ohne meine Brieftasche losgezogen.«
»Brauchst du Bares?«, fragte Lytell leichthin.
»Ich habe mein Geld zu Hause auf der Frisierkommode liegenlassen. Und ich wollte doch noch eine Lage schmeißen.«
[556] »Ach – lass nur sein.« Verächtlich winkte Lytell den Vorschlag ab. »Ich denke, wir können einem netten Kumpel alle Drinks spendieren, die er will. Was nimmst du denn – das Gleiche noch mal?«
»Ich will euch was sagen«, schlug Parker Allison vor, »wie wär’s, wenn wir Sammy losschicken, um uns ein paar Sandwiches zu besorgen, und hier zu Abend essen?«
Die beiden anderen stimmten zu.
»Gute Idee.«
»He, Sammy, kannst du uns mal ’n Gefallen tun…«
Kurz nach neun raffte Anthony sich auf, wünschte ihnen mit belegter Zunge eine gute Nacht und wankte zur Tür. Als er hinaustrat, reichte er Sammy eine der beiden Vierteldollarmünzen. Draußen auf der Straße zögerte er unsicher, dann brach er in Richtung Sixth Avenue auf, wo er, wie er sich erinnerte, öfter an mehreren Pfandhäusern vorbeigekommen war. Er ging an einem Zeitungskiosk und zwei Drugstores vorüber – dann merkte er, dass er vor dem gesuchten Laden stand und dass dieser verschlossen und verriegelt war. Unverdrossen ging er weiter; ein zweites Geschäft, einen halben Block weiter, war gleichfalls geschlossen – ebenso zwei weitere auf der anderen Straßenseite und ein fünftes auf dem Platz dahinter. Doch im Letzteren sah er ein schwaches Licht brennen, also klopfte er an die Glastür; er ließ erst ab, als hinten im Geschäft ein Wachmann erschien und ihm ärgerlich bedeutete weiterzugehen. In wachsender Mutlosigkeit, wachsender Verwirrung überquerte er den Fahrdamm und lief zur 43. Straße zurück. An der Ecke in der Nähe vom Sammy’s blieb er unentschlossen stehen – wenn er jetzt zum Apartment zurückging, wie sein [557] Körper es spürbar verlangte, würde er sich bitteren Vorwürfen aussetzen; doch nun, da die Leihhäuser geschlossen waren, hatte er keine Ahnung, woher das Geld nehmen. Endlich beschloss er, doch noch Parker Allison zu fragen – als er sich jedoch dem Sammy’s näherte, fand er die Tür verschlossen und die Lichter erloschen. Er sah auf die Uhr; halb zehn. Er ging weiter.
Zehn Minuten später hielt er unschlüssig an der Ecke von 43. Straße und Madison Avenue an, schräg gegenüber dem leuchtenden, aber beinahe menschenleeren Eingang zum Biltmore Hotel. Hier verharrte er einen Augenblick, dann ließ er sich inmitten von Bauschutt schwer auf eine nasse Planke plumpsen. Dort ruhte er fast eine halbe Stunde aus. Seine Hirntätigkeit bestand aus einem Durcheinander oberflächlicher Gedanken, von denen der wichtigste dahingehend lautete, dass er Geld beschaffen und nach Hause gelangen musste, bevor er zu durchnässt war und den Heimweg nicht mehr fand.
Dann, als er zum Biltmore hinüberblickte, sah er einen Mann, der direkt im Schein der Schutzdachlaternen neben einer Frau in einem Hermelinpelz stand. Während Anthony zuschaute, trat das Paar vor und signalisierte einem Taxi. An der Gangart – ein untrügliches Kennzeichen – merkte Anthony, dass es sein Freund Maury Noble war.
Er erhob sich. »Maury!«, rief er.
Maury sah in seine Richtung, dann wandte er sich wieder dem Mädchen zu, gerade als das Taxi vorfuhr. In dem wirren Vorhaben, sich zehn Dollar zu leihen, rannte Anthony, so schnell er konnte, über die Madison Avenue und die 43. Straße entlang.
[558] Als er näher kam, stand Maury neben dem geöffneten Schlag des Taxis. Seine Begleiterin drehte sich um und betrachtete Anthony neugierig.
»Hallo, Maury!«, sagte er und streckte die Hand aus. »Wie geht’s?«
»Danke, gut.«
Ihre Hände fielen herab, und Anthony zögerte. Maury traf keinerlei Anstalten, ihn vorzustellen, sondern stand nur da und betrachtete
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