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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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ihn mit katzenhaft undurchdringlichem Schweigen.
    »Ich wollte dich sprechen…«, setzte Anthony unsicher an. Er hatte das Gefühl, dass er nicht gut um ein Darlehen bitten konnte, wenn das Mädchen kaum mehr als einen Meter entfernt stand, daher brach er ab und machte eine kaum merkliche Bewegung mit dem Kopf, als wolle er Maury zur Seite bitten.
    »Ich bin in ziemlicher Eile, Anthony.«
    »Ich weiß – aber kannst du, könntest du…« Wieder zauderte er.
    »Ich sehe dich ein andermal«, sagte Maury.
    »Es ist wichtig.«
    »Es tut mir leid, Anthony.«
    Ehe Anthony sich dazu durchringen konnte, mit seiner Bitte herauszuplatzen, hatte sich Maury kühl dem Mädchen zugewandt, ihr in den Wagen geholfen und war mit einem höflichen »Guten Abend« nach ihr eingestiegen. Als er ihm durchs Fenster zunickte, kam es Anthony vor, als habe er keine Miene verzogen. Das Taxi fuhr mit mürrischem Lärmen davon, und Anthony blieb allein im Laternenschein zurück.
    [559] Ohne besonderen Grund, außer dass der Eingang gerade zur Hand war, trat Anthony ins Biltmore, stieg die breite Treppe hinauf und fand in einer Nische einen Sessel. Zu seinem Ärger war er sich bewusst, dass man ihm eine Abfuhr erteilt hatte; er war so gekränkt und verstimmt, wie es ihm in seinem Zustand überhaupt möglich war. Dennoch zwang ihn die Notwendigkeit hartnäckig dazu, sich Geld zu beschaffen, bevor er nach Hause ging, und wieder zählte er an den Fingern die Bekannten ab, an die er sich möglicherweise in dieser Notlage wenden konnte. Schließlich verfiel er auf den Gedanken, Mr. Howland, seinen Makler, zu Hause anzurufen.
    Nach langem Warten fand er heraus, dass Mr. Howland ausgegangen war. Er ging zum Telefonfräulein zurück, beugte sich über ihren Tresen und befingerte seine Vierteldollarmünze, als sei er nicht gewillt, unverrichteter Dinge davonzugehen.
    »Rufen Sie Mr. Bloeckman an«, sagte er plötzlich. Seine eigenen Worte überraschten ihn. Der Name war ihm eingefallen, als hätten sich in seinem Geist zwei Gedanken gekreuzt.
    »Wie lautet die Nummer, bitte?«
    Fast ohne sich bewusst zu sein, was er da tat, schlug Anthony Joseph Bloeckmans Nummer im Telefonbuch nach. Er fand keinen Eintrag unter diesem Namen und wollte das Buch schon zuklappen, als ihm blitzartig einfiel, dass Gloria eine Namensänderung erwähnt hatte. Es dauerte nur eine Minute, bis er Joseph Black gefunden hatte – dann wartete er in der Zelle, während die Zentrale die Nummer anwählte.
    »Hallo. Ist Mr. Bloeckman – ich meine, Mr. Black, da?«
    [560] »Nein, er ist heute abend ausgegangen. Kann ich ihm etwas ausrichten?« Die Stimme hatte einen Cockney-Akzent; sie erinnerte ihn an die stimmlich herauszuhörende, tiefe Ehrerbietung von Bounds.
    »Wo ist er denn?«
    »Wieso, eh, wer ist da, bitte, Sir?«
    »Mr. Patch. Eine Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit.«
    »Nun, er befindet sich auf einer Gesellschaft im Boul’ Mich’, Sir.«
    »Danke.«
    Anthony erhielt seine fünf Cent Wechselgeld und machte sich auf den Weg zum Boul’ Mich’, einem beliebten Tanzlokal in der 45. Straße. Es war schon beinahe zehn, aber die Straßen waren dunkel und menschenleer. Erst in einer Stunde würden die Theater ihr Gezücht ausspeien. Anthony kannte das Boul’ Mich’, denn im Vorjahr hatte er es mit Gloria frequentiert, und er erinnerte sich an eine Vorschrift, derzufolge die Gäste in Abendkleidung zu erscheinen hatten. Nun, er würde nicht nach oben gehen – er würde einen Hausdiener zu Bloeckman hinaufschicken und im unteren Foyer auf ihn warten. Er bezweifelte nicht einen Augenblick, dass die ganze Unternehmung vollkommen natürlich und taktvoll war. In seiner verzerrten Einbildung war Bloeckman schlicht zu einem seiner alten Freunde geworden.
    In der Eingangshalle des Boul’ Mich’ war es warm. Über einem dicken grünen Teppichboden, von dessen Mitte aus eine weiße Treppe zum Tanzparkett hinaufführte, brannten hohe gelbe Lampen.
    [561] Anthony sprach den Boy an.
    »Ich möchte Mr. Bloeckman – Mr. Black – sprechen«, sagte er. »Er ist oben – lassen Sie ihn bitte ausrufen.«
    Der Boy schüttelte den Kopf.
    »Ist gegen die Vorschriften, ihn ausrufen zu lassen. Wissen Sie, an welchem Tisch er sitzt?«
    »Nein. Aber ich muss ihn sprechen.«
    »Warten Sie. Ich hol ’n Kellner.«
    Nach kurzer Zeit erschien ein Ober mit einer Karte, auf der die Tischreservierungen verzeichnet waren. Er warf einen zynischen Blick in Anthonys Richtung – verfehlte jedoch

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