Die Schönen und Verdammten
wenn er ziellos und bedrückt an einem Bleistift kaute. Es war Selbstverlorenheit ohne Trost, ein Verlangen nach Ausdruck ohne Betätigungsfeld, ein Gefühl, dass die Zeit unaufhörlich und vergeudet vorüberjagte – gemildert nur von der Überzeugung, dass es nichts zu vergeuden gab, weil sämtliche Anstrengungen und Leistungen gleichermaßen wertlos waren.
Aufgewühlt dachte er mit einem lauten Stoßseufzer, denn er war getroffen und verwirrt: »Bei Gott, ich habe nicht die leiseste Absicht zu heiraten!«
Plötzlich schleuderte er den Tennisball heftig durchs Zimmer. Er flog haarscharf an der Lampe vorbei, hüpfte einen Augenblick auf und nieder, bis er reglos auf dem Boden liegenblieb.
Neonlicht und Mondenschein
Für ihr Dinner hatte Gloria im Cascades im Biltmore Hotel einen Tisch reservieren lassen, und als die Männer kurz nach acht draußen in der Eingangshalle zusammentrafen, wurde »diese Person« Bloeckman die Zielscheibe dreier männlicher Augenpaare. Er war ein untersetzter, rosiger Jude von etwa fünfunddreißig Jahren, mit einem ausdrucksvollen Gesicht unter glattem, sandfarbenem Haar – bei den meisten Geschäftsbesprechungen wäre seine Persönlichkeit zweifellos als gewinnend eingestuft worden. Er schlenderte auf die drei jüngeren Männer zu, die rauchend in einer [128] Gruppe beieinanderstanden, während sie auf ihre Gastgeberin warteten, und stellte sich mit etwas zu augenfälliger Selbstsicherheit vor – dennoch darf bezweifelt werden, ob er den beabsichtigten Eindruck leicht ironischer Förmlichkeit wahrnahm. Sein Betragen ließ jedenfalls nicht darauf schließen.
»Mit Adam J. Patch verwandt?«, wollte er von Anthony wissen und stieß durch seine übergroßen Nasenlöcher zwei schlanke Rauchsäulen aus.
Mit dem Anflug eines Lächelns gestand Anthony es ein.
»Ein herausragender Mann«, befand Bloeckman tiefsinnig. »Musterexemplar eines Amerikaners.«
»Ja«, stimmte Anthony ihm zu, »das kann man wohl sagen.«
›Wie ich diese nicht ganz durchgebratenen Männer verabscheue‹, dachte er kalt. ›Sehen aus wie gesotten! Sollten noch einmal in den Backofen geschoben werden; eine weitere Minute würde langen.‹
Bloeckman schielte auf seine Uhr.
»Wird Zeit, dass die Mädchen aufkreuzen…«
Anthony wartete mit angehaltenem Atem; es kam…
»…aber«, mit breiter werdendem Lächeln, »Sie wissen ja, wie Frauen so sind.«
Die drei jungen Männer nickten; Bloeckman sah sich beiläufig um und ließ seinen kritischen Blick erst an der Decke ruhen und dann nach unten wandern. In seiner Miene verband sich der Ausdruck eines Farmers aus dem Mittleren Westen, der seine Weizenernte begutachtet, mit dem eines Schauspielers, der sich fragt, ob man ihm auch zuschaut – so das Verhalten aller guten Amerikaner in der [129] Öffentlichkeit. Als er seine Inspektion abgeschlossen hatte, wandte er sich rasch wieder dem schweigsamen Trio zu, entschlossen, zum Kern der Sache vorzustoßen.
»College-Absolventen? Harvard, ja? Ich höre, die Jungs von Princeton haben euch im Hockey geschlagen.«
Der Unglücksrabe. Wieder hatte er eine Niete gezogen. Sie seien schon vor drei Jahren abgegangen und verfolgten nur noch die großen Footballspiele. Ob Mr. Bloeckman sich nach dem Fehlschlag seines Geistesblitzes in zynischer Gesellschaft zu befinden glaubte, sei dahingestellt, denn…
Gloria kam. Muriel kam. Rachael kam. Nach einem hastigen »Hallo, Leute!«, das von Gloria geäußert und von den anderen beiden aufgegriffen wurde, rauschten die drei in die Garderobe.
Einen Augenblick später tauchte Muriel in einem Zustand kunstvoller Nichtbekleidung wieder auf und schlich sich geradezu an. Sie war in ihrem Element: Ihr ebenholzschwarzes Haar hatte sie zurückgeschniegelt; ihre Augen waren künstlich nachgedunkelt; sie roch nach aufdringlichem Parfüm. Sie hatte sich nach besten Kräften als Sirene, volkstümlich ›Vamp‹, aufgetakelt – ein Wesen, das Männer auflas und wegwarf, das gewissenlos und gänzlich ungerührt mit Gefühlen spielte. Etwas an ihren erschöpfenden Bemühungen schlug Maury auf den ersten Blick in Bann – eine Frau mit breiten Hüften, die die Geschmeidigkeit eines Panthers vortäuschte! Während sie weitere drei Minuten auf Gloria und der Höflichkeit halber auf Rachael warteten, konnte er den Blick nicht von ihr wenden. Sie drehte den Kopf weg, senkte die Wimpern und biss sich in einer erstaunlichen Zurschaustellung gekünstelter Sprödigkeit auf [130] die Unterlippe. Sie
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