Die Schönen und Verdammten
stemmte die Hände in die Hüften, wiegte sich im Takt zur Musik und sagte: »Habt ihr schon mal einen so hinreißenden Ragtime gehört? Ich kann meine Schultern einfach nicht stillhalten, wenn ich so was höre.«
Mr. Bloeckman klatschte höflich in die Hände: »Sie sollten zur Bühne.«
»Für mein Leben gern!«, rief Muriel aus. »Wollen Sie mir dabei helfen?«
»Aber gewiss.«
Mit kleidsamer Züchtigkeit stellte Muriel ihre Bewegungen ein, wandte sich zu Maury und fragte ihn, was er dieses Jahr »gesehen« habe. Er verstand, dass die Frage sich auf die Welt des Theaters bezog, und sie hatten einen fröhlichen und anregenden Meinungsaustausch über verschiedene Titel, etwa nach folgender Manier:
MURIEL Haben Sie schon Pfahl meines Herzens gesehen?
MAURY Nein.
MURIEL mit Feuereifer Es ist wunderbar! Das müssen Sie sich unbedingt ansehen.
MAURY Haben Sie Omar, der Zeltmacher gesehen?
MURIEL Nein, aber ich höre, es soll wundervoll sein. Ich würde es liebend gern sehen. Haben Sie Heiter und wärmer gesehen?
MAURY hoffnungsfroh Ja.
MURIEL Ich fand’s nicht besonders gut. Es ist kitschig.
MAURY schwach Ja, das stimmt.
MURIEL Aber gestern Abend war ich in Erlaubt im Sinne des Gesetzes, das hat mir gut gefallen. Haben Sie Das kleine Café gesehen?…
Das ging so fort, bis ihnen keine Stücke mehr einfielen. [131] Unterdessen wandte Dick sich an Mr. Bloeckman, entschlossen, diesem wenig versprechenden Klotz am Bein so viel Gold wie möglich zu entlocken.
»Ich höre, alle neuen Romane werden gleich nach Erscheinen an die Filmindustrie verkauft.«
»Das stimmt. Die Hauptsache bei einem Film ist natürlich eine starke Handlung.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Viele Romane sind voll von Geschwätz und Psychologie. Die taugen natürlich für unsere Zwecke nicht so recht. Das meiste davon lässt sich auf der Leinwand nicht interessant genug gestalten.«
»Sie wollen vor allem Plots«, sagte Richard geistreich.
»Natürlich. Vor allem Plots…« Er hielt inne und lenkte seinen Blick in eine andere Richtung. Sein Schweigen zog sich hin und steckte, mit der Autorität eines erhobenen Zeigefingers, auch die anderen an. Gloria kam von der Garderobe zurück, gefolgt von Rachael.
Unter anderem stellte sich während des Dinners heraus, dass Joseph Bloeckman niemals tanzte, sondern die Zeit, in der die Musik spielte, damit verbrachte, den anderen mit der gelangweilten Duldsamkeit eines Erwachsenen unter Kindern zuzuschauen. Er war ein würdiger Mann und stolz dazu. Aus München gebürtig, hatte er seinen amerikanischen Werdegang als Erdnussverkäufer in einem Wanderzirkus angetreten. Er war mit achtzehn Marktschreier, später Leiter einer Jahrmarktsbude geworden, bald darauf Eigentümer eines zweitklassigen Vaudeville-Theaters. Als der Film eben aus dem Stadium einer Kuriosität heraustrat und zu einem vielversprechenden Wirtschaftszweig wurde, war [132] er ein aufstrebender Mann von sechsundzwanzig Jahren mit Geld zum Investieren, brennendem finanziellem Ehrgeiz und verwertbaren Kenntnissen des populären Showbusiness. Das war vor neun Jahren gewesen. Die Filmindustrie hatte ihn hochgespült, während sie Dutzende von Männern mit besseren finanziellen Fähigkeiten, mehr Phantasie und praktikableren Ideen ausgespien hatte… und nun saß er hier und betrachtete die unsterbliche Gloria, für die der junge Stuart Holcome von New York nach Pasadena gegangen war – beobachtete sie und wusste, dass sie gleich wieder zu tanzen aufhören und zurückkommen würde, um sich zu seiner Linken zu setzen.
Er hoffte, sie würde sich beeilen. Die Austern standen schon einige Minuten auf dem Tisch.
Unterdessen tanzte Anthony, der links von Gloria platziert worden war, mit ihr, und zwar, wie ein Platzhirsch, stets auf einem bestimmten Viertel der Tanzfläche. Dieser zarte Tribut an das Mädchen sollte den anderen Männern im Saal klarmachen: »Verdammt, kommt mir bloß nicht zu nahe!« Es war sehr bewusst intim.
»Also«, begann er und blickte auf sie herab, »Sie sehen aber mächtig gut aus heute Abend.«
Über die fünfzehn Zentimeter Abstand hinweg, die sie trennten, erwiderte sie seinen Blick.
»Danke – Anthony.«
»Sie sind sogar beunruhigend schön«, fügte er hinzu. Diesmal ohne zu lächeln.
»Und Sie sind äußerst charmant.«
»Ist das nicht nett?«, lachte er. »Wir heißen einander tatsächlich gut.«
[133] »Tun Sie das denn normalerweise nicht?« Sie griff seine Bemerkung rasch auf, wie sie es stets
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