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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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tat, wenn, wie andeutungsweise auch immer, eine nicht weiter erklärte Anspielung auf sie gemacht wurde.
    Er senkte die Stimme, und ihr haftete nur der Hauch eines Scherzes an, als er sprach.
    »Heißt denn ein Priester den Papst gut?«
    »Ich weiß nicht – aber das ist wohl das unbestimmteste Kompliment, das mir je gemacht worden ist.«
    »Vielleicht kann ich ein paar Platitüden auftreiben.«
    »Übernehmen Sie sich nur mal nicht. Sehen Sie nur Muriel! Hier, gleich neben uns.«
    Er blickte über die Schulter. Muriel hatte ihre leuchtende Wange an das Revers von Maury Nobles Smoking geschmiegt und ihren gepuderten Arm offenbar um seinen Kopf geschlungen. Man fragte sich automatisch, weshalb sie die Hand nicht in seinen Nacken gekrallt hatte. Sie rollte heftig mit den zur Decke gerichteten Augen, schwenkte die Hüften und sang beim Tanzen ständig leise vor sich hin. Dies schien zunächst die Übersetzung des Songs in irgendeine fremde Sprache zu sein, stellte sich jedoch endlich als Versuch heraus, seinen Rhythmus mit den einzigen Worten aufzufüllen, die sie kannte – mit den Worten des Titels:
    He’s a rag-picker,
    A rag-picker,
    A rag-time picking man,
    Rag-picking, picking, pick, pick,
    Rag-pick, pick, pick
    [134] – und so weiter, mit Wendungen, die noch seltsamer und barbarischer klangen. Als sie Anthonys und Glorias belustigte Blicke auffing, erwiderte sie sie nur mit einem leisen Lächeln und halbgeschlossenen Augen, um anzudeuten, dass die Musik, die in ihre Seele eintrat, sie in eine ekstatische und ausgesprochen verführerische Trance versetzt habe.
    Die Musik ging zu Ende, und sie kehrten an ihren Tisch zurück, und der dort einsam, aber würdevoll saß, erhob sich und bedachte jeden von ihnen mit einem so gewinnenden Lächeln, als schüttele er ihnen die Hand, um sie zu einer glänzenden Darbietung zu beglückwünschen.
    »Blockhead tanzt nie! Ich glaube, er hat ein Holzbein«, bemerkte Gloria zu der gesamten Tischgemeinschaft. Die drei jungen Männer erschraken, und der Gentleman, auf den sich die Bemerkung bezog, zuckte sichtlich zusammen.
    Dies war der einzige wunde Punkt, der sich im Laufe von Bloeckmans Bekanntschaft mit Gloria ergeben hatte. Mit seinem Namen trieb sie ein grausames Spiel. Erst war es Blockhouse gewesen, seit neuestem das gehässigere Blockhead – Holzkopf. Mit stark ironischem Unterton hatte er sie gebeten, ihn mit Vornamen anzureden, und gehorsam hatte sie dies auch mehrere Male getan – doch dann war sie, hilflos, zerknirscht, aber in Gelächter aufgelöst, wieder auf Blockhead verfallen.
    Eine äußerst traurige und unüberlegte Sache.
    »Ich fürchte, Mr. Bloeckman hält uns für ein leichtlebiges Völkchen«, seufzte Muriel und wedelte mit einer Auster in seine Richtung.
    »Er sieht ganz so aus«, murmelte Rachael. Anthony [135] versuchte, sich zu erinnern, ob sie zuvor schon etwas von sich gegeben hatte. Er glaubte, nein. Es war ihre erste Äußerung.
    Plötzlich räusperte sich Mr. Bloeckman und sagte mit lauter, deutlicher Stimme: »Im Gegenteil. Wenn ein Mann spricht, spricht aus ihm die Tradition. Er weiß mindestens ein paar tausend Jahre hinter sich. Die Frau dagegen, nun, sie ist das wunderbare Sprachrohr der Nachwelt.«
    In dem fassungslosen Schweigen, das auf diese erstaunliche Einlassung folgte, verschluckte sich Anthony an einer Auster und führte eilends seine Serviette zum Mund. Rachael und Muriel stießen ein nachsichtiges, wenn auch überraschtes Lachen aus, in das Dick und Maury einstimmten. Beide waren hochrot im Gesicht und gaben sich größte Mühe, ein Brüllen zu unterdrücken.
    ›Mein Gott!‹ dachte Anthony. ›Das ist der Zwischentext einer seiner Filme. Der Mann hat ihn doch tatsächlich auswendig gelernt!‹
    Nur Gloria gab keinen Laut von sich. Schweigend fixierte sie Mr. Bloeckman mit einem vorwurfsvollen Blick.
    »Um Himmels willen, wo haben Sie denn das aufgeschnappt?«
    Bloeckman schaute sie unsicher an, unschlüssig, was sie damit sagen wollte. Doch augenblicklich gewann er seine Haltung wieder und setzte das ausdruckslose und absichtlich duldsame Lächeln eines Intellektuellen inmitten verzogener und unreifer Jugendlicher auf.
    Aus der Küche wurde die Suppe gebracht – doch gleichzeitig kam der Kapellmeister von der Bar, wo er jenen Farbton angenommen hatte, der sich in einem Seidel Bier findet. So ließ man denn die Suppe während der Darbietung einer [136] Ballade namens Everything’s at Home Except Your Wife kalt werden.
    Danach

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