Die Schönen und Verdammten
dass du ein Vogel bist? Du bist ein Russischer Wolfshund.«
Anthony erinnerte sich, dass sie weiß waren und stets unnatürlich ausgehungert aussahen. Andererseits wurden sie gewöhnlich mit Herzögen und Prinzessinnen fotografiert, und so fühlte er sich denn gehörig geschmeichelt.
»Dick ist ein Foxterrier, ein verschlagener Foxterrier«, fuhr sie fort.
»Und Maury ein Kater.« Gleichzeitig kam ihm in den Sinn, wie sehr Bloeckman einem kraftstrotzenden, ekelhaften Schwein ähnelte. Aber er bewahrte diskretes Stillschweigen.
Später, als sie sich verabschiedeten, fragte Anthony, wann er sie wiedersehen dürfe.
»Verabredest du dich denn nie für längere Zeit?«, drängte er sie. »Selbst wenn’s erst in einer Woche ist, ich glaube, es wäre amüsant, einen ganzen Tag miteinander zu verbringen, Vormittag und Nachmittag.«
[169] »Das stimmt.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Lass uns doch den kommenden Sonntag zusammen verbringen.«
»Einverstanden. Ich werde ein Programm entwerfen, das jede Minute füllt.«
Das tat er auch. Er malte sich sogar in allen Einzelheiten aus, was in den beiden langen Stunden geschehen würde, wenn sie zum Tee in sein Apartment käme; dass der gute Bounds die Fenster weit geöffnet haben würde, um die frische Brise einzulassen – zugleich aber auch ein Kaminfeuer angezündet hätte, damit es im Zimmer nicht kalt würde –, und dass in großen, kühlen Schalen, die er zu diesem Anlass kaufen würde, ganze Blumensträuße stünden. Sie würden auf dem Sofa sitzen.
Und als der Tag kam, saßen sie in der Tat auf dem Sofa. Nach einer Weile küsste Anthony sie, weil es sich von selbst ergab; er empfand, dass auf ihren Lippen noch immer Süße schlummerte, und hatte das Gefühl, niemals fort gewesen zu sein. Das Feuer brannte hell, und die Brise, die durch die Vorhänge wehte, brachte eine milde Feuchte, die den Mai und die Welt des Sommers verhieß. Seine Seele erschauerte zu entrückten Harmonien; er hörte das Klimpern ferner Gitarren und das Plätschern des Wassers am warmen Gestade des Mittelmeers – denn jetzt war er jung, wie er es nie wieder sein würde, und triumphierte über den Tod.
Sechs Uhr schlich sich allzu rasch heran und läutete die Glocken von St. Anne’s an der Ecke mit ihrer nörgelnden Melodie. Durch die einbrechende Dämmerung schlenderten sie zur Avenue, wo die Menge nach dem langen Winter wie entlassene Sträflinge endlich wieder mit federnden Schritten lief, leutselige Könige sich auf den Oberdecks der [170] Omnibusse drängten und die Geschäfte mit feinen, weichen Dingen für den Sommer angefüllt waren, für den kostbaren Sommer, den farbenprächtigen, verheißungsvollen Sommer, der für die Liebe das zu sein schien, was der Winter fürs Geld war. An der Ecke sang das Leben und bettelte um ein Abendessen! Auf der Straße teilte das Leben Cocktails aus! In der Menge waren alte Frauen, die das Gefühl hatten, einen Hundertmeterlauf mitmachen und gewinnen zu können!
Nachts im Bett – die Lichter waren gelöscht, das kühle Zimmer in Mondschein getaucht – lag Anthony wach und spielte mit jeder Minute des Tages, wie ein Kind abwechselnd mit jedem Spielzeug vom Stapel seiner lang ersehnten Weihnachtsgeschenke spielt. Mitten in einem Kuss hatte er ihr leise gestanden, sie zu lieben, und sie hatte gelächelt, sich enger an ihn geschmiegt und gemurmelt: »Das freut mich«, und ihm dabei in die Augen gesehen. In ihrer Haltung ihm gegenüber lag etwas Neues, ein zunehmendes Gefühl schierer körperlicher Anziehungskraft und eine seltsame emotionale Spannung, und schon die bloße Erinnerung daran ließ ihn die Fäuste ballen und den Atem anhalten. Er hatte sich ihr näher gefühlt als je zuvor. Ganz verzückt rief er lauthals ins Zimmer, dass er sie liebe.
Am nächsten Morgen telefonierte er mit ihr – kein Zaudern, keine Ungewissheit mehr, statt dessen eine fiebrige Erregung, die sich verdoppelte und verdreifachte, als er ihre Stimme vernahm.
»Guten Morgen – Gloria.«
»Guten Morgen.«
»Mehr wollte ich dir eigentlich nicht sagen – Liebling.«
[171] »Das freut mich.«
»Ich wünschte, ich könnte dich sehen.«
»Das darfst du auch, morgen Abend.«
»Das ist lange hin, findest du nicht?«
»Ja…« Ihre Stimme klang zögerlich. Seine Hand umkrampfte den Hörer.
»Könnte ich nicht schon heute Abend kommen?« Im enthüllenden Glanz jenes fast gehauchten »Ja« wagte er, aufs Ganze zu gehen.
»Ich habe eine
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