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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Lieblingsbar bis vor kurzem die Plaza Bar gewesen war.
    »Nette Bar. Eine der besten in der Stadt.«
    Anthony nickte. Bloeckman leerte sein Glas und hob seinen Spazierstock auf. Er trug Gesellschaftsanzug.
    »Ich muss mich beeilen. Ich gehe mit Miss Gilbert zum Abendessen aus.«
    Aus zwei blauen Augen blickte ihm jählings der Tod entgegen. Hätte Bloeckman sein Gegenüber ermorden wollen – er hätte Anthony keinen entscheidenderen Schlag versetzen können. Der Jüngere musste sichtlich errötet sein, denn alle seine Nerven bäumten sich auf in augenblicklichem Protest. Mit ungeheurer Willensanstrengung brachte er ein starres – oh, so starres – Lächeln zuwege und sagte einen konventionellen Abschiedsgruß dahin. Doch in der Nacht lag er bis nach vier Uhr wach, halb verrückt vor Kummer, Angst und grässlichen Phantasien.
    Schwäche
    Und eines Tages, in der fünften Woche, rief er sie an. Er hatte in seinem Apartment gesessen und versucht, [166] L’Éducation sentimentale zu lesen, aber irgendetwas in dem Buch hatte seine Gedanken in die Richtung gejagt, die sie, einmal freigesetzt, jetzt immer nahmen, wie Pferde, die zu ihrem heimischen Stall preschen. Mit plötzlich beschleunigtem Atem ging er ans Telefon. Als er die Nummer nannte, schien es ihm, dass seine Stimme stockte und gickste wie die eines Schuljungen. Die Zentrale musste seinen hämmernden Herzschlag gehört haben. Als am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde, hörte er die Posaunen des Jüngsten Gerichts, und Mrs. Gilberts Stimme, weich wie Ahornsirup, der in einen Glasbehälter rinnt, hatte für ihn etwas Grauenvolles mit ihrem bloßen »Hello-o-ah?«.
    »Miss Gloria fühlt sich nicht wohl. Sie hat sich hingelegt, sie schläft. Kann ich ihr ausrichten, wer angerufen hat?«
    »Niemand!«, schrie er.
    In wilder Panik knallte er den Hörer auf die Gabel; sank, im kalten Schweiß atemloser Erleichterung gebadet, in seinen Sessel.
    Serenade
    Als Erstes sagte er zu ihr: »Du hast dir ja einen Bubikopf schneiden lassen«, und sie erwiderte: »Ja, sehe ich nicht großartig aus?«
    Damals waren Bubiköpfe noch nicht modern. Das sollten sie erst fünf oder sechs Jahre später werden. Damals galten sie noch als äußerst gewagt.
    »Draußen ist es ganz sonnig«, sagte er feierlich. »Möchtest du nicht einen Spaziergang machen?«
    [167] Sie zog einen leichten Mantel und einen kurios aufreizenden blassblauen Napoleonshut an, und sie gingen die Avenue entlang und in den Zoo, wo sie die Erhabenheit des Elefanten und die Kragenhöhe der Giraffe gebührend bewunderten; das Affenhaus allerdings besuchten sie nicht, weil Gloria meinte, Affen röchen so schlecht.
    Dann liefen sie wieder zum Plaza zurück. Sie sprachen nicht, aber sie waren dankbar für den Frühling, der in den Lüften sang, und für den warmen balsamischen Duft, welcher über der mit einemmal goldenen Stadt lag. Zur Rechten befand sich der Park, während linker Hand ein großer Kasten aus Granit und Marmor allen, die es hören wollten, dumpf die wirre Botschaft eines Millionärs zumurmelte, so etwas wie: »Ich habe gearbeitet und gespart und war gerissener als alle anderen, und Menschenskinder noch mal, hier sitze ich nun!«
    Auf der Fifth Avenue waren die neuesten und schönsten Automodelle zu sehen, und vor ihnen ragte ungewöhnlich weiß und attraktiv das Plaza auf. Die geschmeidige, lässige Gloria ging etwa die Länge eines kurzen Schattens vor ihm her und sprudelte träge, gleichgültige Bemerkungen hervor, die einen Augenblick in der flirrenden Luft schwebten, bevor sie an sein Ohr drangen.
    »Oh!«, rief sie. »Ich will in den Süden nach Hot Springs! Ich will hinaus an die frische Luft, mich im jungen Gras herumwälzen und vergessen, dass es jemals einen Winter gab.«
    »Tu das bloß nicht!«
    »Ich will eine Million Rotkehlchen hören, die einen entsetzlichen Lärm veranstalten. Eigentlich mag ich Vögel.«
    [168] »Alle Frauen sind Vögel«, äußerte er sich.
    »Und was für einer bin ich?« – schnell und erwartungsvoll.
    »Eine Schwalbe, glaube ich, und manchmal ein Paradiesvogel. Die meisten Mädchen sind natürlich Spatzen – siehst du dort drüben die Gruppe Kindermädchen? Das sind Spatzen – oder sind es Elstern? Und natürlich trifft man Kanarienvögel – und Rotkehlchen.«
    »Und Schwäne und Papageien. Alle erwachsenen Frauen sind Habichte, glaube ich, oder Eulen.«
    »Was bin ich – ein Bussard?«
    Sie lachte und schüttelte den Kopf.
    »O nein, du glaubst doch nicht,

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