Die Schönen und Verdammten
worden.
In der Tat brachte der Autor seine Tage in einem angenehmen Rauschzustand dahin. Drei Viertel seiner Konversation galten seinem Buch – er wollte wissen, ob man schon »das Neueste« gehört habe; er ging in eine Buchhandlung und bestellte mit lauter Stimme mehrere Exemplare seines Romans, die er sich berechnen ließ, nur um beim Verkäufer oder Kunden einen zufälligen Brocken Anerkennung einzuheimsen. Er wusste bis auf die Stadt genau, in welchen Landesteilen sein Buch sich am besten verkaufte, und wenn er jemandem begegnete, der es nicht gelesen hatte oder, wie es nur allzuoft geschah, nicht einmal davon gehört hatte, so verfiel er in düstere Depressionen.
Insofern war es nur natürlich, dass Anthony und Gloria in ihrer Missgunst zu der Überzeugung gelangten, er sei vor lauter Dünkel so aufgeblasen, dass er sie nur noch langweile. Zu Dicks großem Verdruss brüstete sich Gloria öffentlich damit, den Dämonischen Liebhaber nie gelesen zu haben und auch nicht vorzuhaben, ihn zu lesen, ehe nicht alle Welt aufgehört habe, darüber zu reden. Tatsächlich hatte sie jetzt gar keine Zeit zu lesen, denn schon strömten die Geschenke herein – erst ein Rinnsal, dann eine Sturzflut, von den Nippsachen vergessener Freunde der Familie bis zu den Fotografien armer Verwandter, die sie aus den Augen verloren hatte.
Maury schenkte ihnen ein Drinkservice, das aus silbernen Kelchgläsern, Cocktailshaker und Flaschenöffner bestand. Was sie aus Dick herauswrangen, war konventioneller – ein Teeservice von Tiffany’s. Von Joseph Bloeckman [190] kam ein schlichter, aber exquisiter Reisewecker, zusammen mit seiner Karte. Es gab sogar eine Zigarettenspitze von Bounds; das rührte Anthony und trieb ihm Tränen in die Augen – es war vielleicht ein halbes Dutzend Menschen, das sich in wahrhaftiger (und nicht hysterischer) Gefühlsanwandlung hatte dazu hinreißen lassen, der Konvention ein ungeheures Opfer zu bringen. Der Saal, der im Plaza hergerichtet worden war, floss über von den Gaben, die Freunde aus Harvard und Geschäftspartner seines Großvaters geschickt hatten, von Andenken an Glorias Zeit in Farmover und den ziemlich lächerlichen Trophäen früherer Verehrer, welchselbige mit vertraulich-melancholischen Mitteilungen eingingen, die auf sorgfältig verborgene Karten geschrieben waren. Sie begannen mit »Ich hatte keine Ahnung, dass…« oder »Ich wünsche dir ja alles Glück in der Welt…« oder gar »Wenn du dies in Händen hältst, bin ich schon auf dem Wege nach…«
Das großzügigste Geschenk war zugleich das enttäuschendste. Es war ein Zugeständnis von Adam Patch – ein Scheck über fünftausend Dollar.
Die meisten dieser Geschenke ließen Anthony kalt. Es kam ihm vor, als nötigten sie ihn, für die Dauer des nächsten halben Jahrhunderts eine Tabelle mit dem Familienstand all ihrer Bekannten anzulegen. Gloria dagegen jubelte über jedes von ihnen, riss mit der Gier eines Hundes, der nach einem Knochen scharrt, an Seidenpapier und Holzwolle, griff atemlos nach einem Band oder einer Metallkante, um endlich den ganzen Gegenstand ans Licht zu holen und kritisch zu begutachten. Sie lächelte nicht, und ihre Miene verriet kein anderes Gefühl als verzücktes Interesse.
[191] »Sieh nur, Anthony!«
»Verflucht hübsch, was?«
Die Antwort erfolgte erst eine Stunde später, wenn sie ihm über ihre genaue Reaktion auf das Geschenk gründlich Bericht erstattete: ob es vorteilhafter ausgefallen wäre, wenn es kleiner oder größer gewesen wäre, ob sie überrascht gewesen sei, es zu bekommen, und, bejahendenfalls, wie überrascht.
Mrs. Gilbert richtete immer wieder aufs Neue ein gedachtes Haus ein, verteilte die Geschenke auf die verschiedenen Räume, indem sie Artikel als »zweitbeste Uhr« oder »täglich zu benutzendes Silber« inventarisierte, und brachte Anthony und Gloria mit halb spaßhaften Hinweisen auf einen Raum, den sie »Spielzimmer« nannte, in Verlegenheit. Sie freute sich über das Geschenk des alten Adam und behauptete von da an steif und fest, dass er eine uralte Seele sei, »von allem andern einmal abgesehen«. Da Adam Patch nie recht wusste, ob sie sich auf die fortschreitende Vergreisung seines Hirns oder auf ein eigenes psychologisches Geheimsystem bezog, lässt sich nicht behaupten, dass er erfreut war. Allerdings sprach er Anthony gegenüber von ihr immer als »der alten Frau, der Mutter«, als sei sie eine Figur in einer Komödie, die er schon oft auf der Bühne gesehen
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