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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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den Platz zu, an dem er zu sein und zu bleiben hat.
    Der Traum vom Weggehen, vom leichthändigen Abschiednehmen. Man tritt hinaus aus dem Bannkreis der Nacht in den hellen Tag, wo alle Dinge glänzen, als wären sie soeben erst aus Dunst und Nebel ins Leben gerufen worden. Alles ist Anfang und doch strotzend vor Sinn, ein Kosmos unendlicher Möglichkeiten. Jeder Schritt ein erster Schritt, ein Schritt in unbekanntes Terrain. Man braucht Mut dazu, frischen Mut und Zuversicht. Und doch ist es ganz leicht, weil nichts fremd ist in dieser Welt, nicht ganz jedenfalls, nicht beunruhigend, verstörend fremd. Es liegt ein Glanz von Vertrautheit auf ihr, ein geflüstertes Versprechen, das den Schritten Sicherheit gibt.
    Robert geht durch die Nacht vom Schock nach Haus. Es nieselt, er hat den Kragen seiner Jacke hochgeschlagen, das nasse Haar klebt ihm an der Stirn. Er geht nicht den direkten, den geraden Weg, er mäandert durch die nächtliche Stadt, an der Brauerei biegt er nach links in die Herderstraße, dann ein Stück den Bosseler Weg entlang, nach rechts in die Lessingstraße, geht nicht nach links, wie man erwarten sollte, sondern überquert die Bredowstraße, dann nach links und wieder nach links und immer geradeaus, wieder über die Bredowstraße hinweg. Er will fort, das weiß er, so schnell wie möglich. Aber auch das weiß er: dass er das hier zuerst hinter sich bringen muss. Die Zwänge, die Pflichten, die Mutter, die ihn nicht gehen lassen will, weil sie Angst hat, dass dann alles noch schlimmer wird mit dem Vater, der Dienst in der Altenhilfe. Er träumt davon, alle Zwänge hinter sich zu lassen, alle lästigen Pflichten abzuschütteln, sein Bündel zu schnüren und wegzufahren, ohne Ziel, irgendwohin.

18
    EDITH IST NOCH WACH , als Egon nach Haus kommt. Sie hört das Auto vorfahren, hört Freds Stimme, die ihres Mannes, dann das dumpfe Geräusch der zuschlagenden Autotüren. Sie macht Licht, schaut auf die Uhr. Es ist kurz vor halb zwölf. Sie hört den Schlüssel im Schloss der Haustür, löscht das Licht, stellt sich schlafend, als ihr Mann ins Zimmer tritt und die Nachttischlampe anknipst. Dann liegt er neben ihr im Bett, wälzt sich lange hin und her, weil er nicht schlafen kann, und sie denkt, dass da etwas schiefgelaufen sein muss mit dem Abend. Und als ihr Mann dann endlich doch zu schnarchen beginnt und wenig später Robert heimkommt, da denkt sie, dass das eigentlich zu früh ist, wo der Junge doch morgen ausschlafen kann. Und dann denkt sie, dass sie sich vielleicht zu viele Gedanken macht und dass das auch nicht hilft, sich Gedanken zu machen, dass sie sich an Fred ein Beispiel nehmen sollte, der es sicher auch nicht leicht habe, aber immer fröhlich sei und sie alle zum Lachen bringe. Aber schlafen kann sie dennoch nicht.

19
    AUCH AM MONTAG und am Dienstag kommt die Polizei nicht. Als Robert schon glaubt, die Sache mit dem Unfall habe sich erledigt, kommt am Mittwoch ein Brief vom Polizeipräsidium. Die Mutter hat ihn an sich genommen, bevor der Vater ihn sieht. Als sie am Abend vom Putzen heimkommt, ist in Roberts Zimmer noch Licht. Sie geht hinüber, klopft, tritt ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Robert liegt auf dem Bett, hört Musik. Als er sie sieht, nimmt er die Kopfhörer aus den Ohren.
    Ein Brief für dich.
    Er nimmt das Kuvert, das sie ihm hinreicht, zuckt zusammen, als er den Absender liest, will ihn beiseite legen, um ihn zu öffnen, wenn er allein ist.
    Von der Polizei, sagt die Mutter. Papa weiß nichts davon. Aber mir kannst du doch sagen, was los ist.
    Robert weiß, dass seine Mutter nicht gehen wird, ehe er ihr gesagt hat, was es mit dem Brief auf sich hat. Zögernd öffnet er ihn, liest: Sie werden gebeten, sich als Zeuge in einer Unfallsache zwecks Einvernahme im Polizeipräsidium Zi. 230 zu melden.
    Ich soll mich im Polizeipräsidium melden, sagt er. Wegen einer Unfallsache.
    Was für ein Unfall?, fragt die Mutter.
    Keine Ahnung, sagt Robert und reicht ihr den Brief.
    Am nächsten Tag in der Mittagspause meldet sich Robert bei der Polizei.
    Er wird sagen, was sie ausgemacht haben: dass er an jenem Abend zu Fuß nach Haus gegangen ist, dass er zu dem Unfall, bei dem die Zeitungsausträgerin zu Schaden gekommen ist, nichts sagen kann, weil er nicht dabei war.
    Vom Schock zu Ihnen nach Haus, das ist aber ein ganzes Stück, sagt der freundliche ältere Polizist, der Robert gegenübersitzt. Er schaut Robert an, nickt anerkennend.
    Wann müssen Sie morgens raus? Um sieben?
    Ja, sagt

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