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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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war er gerade mal zwanzig. Ein jugendlicher Unerfahrenheit geschuldeter Irrtum, der immerhin fast zwei Jahre währte. Seitdem lebt er als Nomade, immer unterwegs, mal hier, mal dort und nirgends länger als ein paar Tage. Für Egon ist er so etwas wie das Mysterium der Freiheit. Egon bewundert ihn, beneidet ihn wohl auch, obwohl er genau weiß, dass er so wie Fred nicht leben könnte, nicht leben wollte. Aber er lässt sich jedes Mal von der Umtriebigkeit seines Freundes anstecken, lässt sich mitreißen. Wenn Fred sagt: Gehen wir mal um die Häuser, dann ist Egon wehrlos, hat gar keine Wahl. Nicht einmal, wenn er es wollte, könnte er sich ihm entziehen.
    Edith hat nie richtig begriffen, was das ist, diese Freundschaft zwischen ihrem Mann und Fred Biskau. Manchmal sehen sie sich jahrelang nicht, telefonieren nicht miteinander, tauschen keine Briefe aus. Und dann ist Fred plötzlich da, unangemeldet zumeist, und vom ersten Augenblick an ist alles wie früher, sie benehmen sich wie Kumpel, die täglich miteinander umgehen, alles voneinander wissen. Es verwirrt sie, sie ist misstrauisch, auch ein bisschen eifersüchtig. Aber dann sagt sie sich, dass Egon so einen wie Fred braucht, dass Fred seine Chance ist, ein anderer zu sein, für eine Zeit lang zumindest und ohne Risiko, ein anderer und ein bisschen vielleicht auch er selbst. Wer weiß das schon? Obwohl es, jedenfalls für Egon, wohl eher ein Rollenspiel ist, dieses Schwadronieren, dieses Abenteurer- und Draufgängertum. Aber, wer weiß, vielleicht muss man zuweilen spielen, mit sich selbst, mit seinem Leben, damit es nicht zu schwer wird, damit man es ertragen kann. Vielleicht, denkt sie, wäre manches leichter, wenn Fred sie häufiger besuchen käme.
    Robert ist noch nicht an der Haustür, da hört er schon das Gelächter, das aus dem Wohnzimmer dringt. Wann hat er zuletzt jemand in diesem Haus lachen hören? Es muss Jahre her sein. Onkel Freds Stimme. Sogleich spürt er wieder dieselbe freudige Erwartung, die er als Kind empfand, wenn er aus der Schule kam und der weiße Mercedes wie vom Himmel gefallen vor dem Haus stand. Onkel Fred! Alle leuchtenden Versprechen, die das Leben für einen Heranwachsenden bereithält, sind in seinem Namen enthalten. Dabei ist Robert heute eigentlich besonders niedergeschlagen. Wegen Frau Fechner und weil er weiß, dass er nie den Mut finden wird, Frau Stechapfel zu sagen, dass er das alles nicht mehr will, diese alten Frauen, dieses nackte Elend, allenfalls Vorlesen für Frau Sternheim oder Einkaufen für Frau Klein, seinetwegen auch noch Abwaschen für Frau Welach, aber das nicht, so etwas nicht.
    Die Wohnzimmertür steht offen. Kaum betritt Robert den Hausflur, da ruft der Vater: Ah, da ist Robert! Robert, komm doch mal her! Sieh mal, wer da ist, Robert!
    Die Stimme des Vaters: laut, fröhlich, fast ein wenig überdreht. Ein fremder Vater ist das, ein zurückverwandelter, der Vater seiner Kindheit, den er schon fast vergessen hat. Und die Mutter daneben, glühend vor Lebenslust, ihre Augen lachen. Als wären sie verzaubert oder als hätte Onkel Fred mit einem Schlag den bösen Zauber gelöst, der so lange über diesem Haus gelegen hat. Und als Robert zögernd ins Zimmer tritt, steht der Zauberer auf und ruft: Wer ist dieser baumlange Kerl? Kenn ich den? Kenn ich den?
    Er umarmt Robert, Robert riecht sein Herrenparfum, diesen Geruch von Abenteuer und weiter Welt, ein Schwindel erfasst ihn, es ist, als ob ihn ein Wirbelwind in die Luft erhöbe und in einer einzigen großzügigen Bewegung über Städte und Dörfer hinweg von einem Ende der Welt zum anderen trüge.
    Fred zieht einen Stuhl neben seinen Sessel:
    Setz dich her zu mir! Ich hab dich ewig nicht gesehen. Dein Vater und ich haben gerade beschlossen, dass wir nach dem Essen noch was trinken gehen. Kommst du mit?
    Ich bin verabredet, sagt Robert.
    Klar, sagt Fred. In deinem Alter wäre ich auch nicht mit zwei so alten Säcken ausgegangen. Wie heißt sie?
    Wer?
    Na, deine Freundin.
    Ich hab keine Freundin, sagt Robert. Ich bin mit ein paar Freunden verabredet. Wir gehen ins Schock .
    Fred beugt sich vor, schaut ihm prüfend ins Gesicht, knufft ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. He, sagt er. Ein gut aussehender Kerl wie du, auf dich müssen die Mädchen doch nur so fliegen. Los, sag schon, wie heißt sie!
    Onkel Fred! Seine Gegenwart füllt den ganzen Raum, man kann sich ihm nicht entziehen, es ist, als dränge er durch die Poren in einen ein, sodass sich der Unterschied

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