Die schönste Zeit des Lebens
auflöst zwischen hier und dort, zwischen innen und außen. Es ist der Fred in Robert, der ihm das eingibt, der ihn sagen lässt, was er eigentlich gar nicht sagen will.
Fari, sagt Robert.
Hat er das tatsächlich gesagt? Es ist ihm rausgerutscht, ohne sein Zutun, sogar gegen seinen Willen, aber nun, da er es gesagt hat, wird ihm klar, dass er schon die ganze Zeit an sie gedacht hat, gleich als er den weißen Mercedes vor dem Haus stehen sah, fiel sie ihm wieder ein, und für einen Moment dachte er daran, dass er heute Abend ins Schock gehen würde, und wenn sie da wäre, würde er sie zum Tanzen auffordern oder mit ihr an der Theke stehen und sie Andy und Tom und Martin vorstellen, ganz cool: Das ist Fari.
Fari, sagt Fred. So heißen Prinzessinnen. Ist sie eine Prinzessin?
Ja, sagt Robert. Eine Prinzessin aus dem Morgenland.
Später, als Egon und Fred im Nachtcafé an der Theke stehen – Na, das sieht doch gut aus, hier läuft bestimmt was –, da legt Fred Egon den Arm um die Schulter und sagt: Ist ein prima Kerl, dein Robert. Der macht seinen Weg, verlass dich drauf. Und Egon sagt nicht, dass es jeden zweiten Tag Streit gibt zwischen ihm und seinem Sohn, dass er es lieber gesehen hätte, wenn Robert sich freiwillig zur Bundeswehr gemeldet hätte, weil er dann umsonst hätte Maschinenbau studieren können, dass er sich darüber ärgert, dass Robert sich nachts mit irgendwelchen Typen im Schock herumtreibt und neulich sogar die Polizei da war und nach ihm gefragt hat.
Klar, sagt Egon. Ist ja auch mein Sohn.
Und Edith?, fragt Fred. Wie geht es mit euch beiden?
Egon hat sich vorgenommen, die Dinge heute in freundlichem Licht zu sehen, sich von Freds guter Laune anstecken zu lassen. Bisher ist ihm das auch gelungen. Aber irgendwie scheint sein Vorrat an Optimismus jetzt auf einmal erschöpft zu sein. Er schweigt lange, grübelt, findet keine passende Antwort, und dann, auf einmal, bricht es aus ihm heraus: Die Familie, das Haus, seit sie ihn in Frühpension geschickt hätten, komme er sich wie ein halber Mensch vor, abgeschoben, minderwertig, und das Geld reiche hinten und vorne nicht, obwohl Edith für diesen Halsabschneider Wessels arbeite, und nun drohe auch noch die Bank mit der Zwangsversteigerung des Hauses, weil sie ein paarmal die monatlichen Raten zu spät gezahlt hätten, vorgestern sei der Brief gekommen, er habe ihn Edith noch gar nicht gezeigt.
Ja, sagt Fred. Das sind beschissene Zeiten. Beschissene Zeiten sind das jetzt.
Mehr als drei Jahre haben sie sich nicht gesehen, drei Jahre, in denen viel passiert ist, was nicht gerade stimulierend war. Für beide nicht. Freds Geschäfte gehen schlecht, genau genommen sehr schlecht. Ein paarmal war er schon so weit, dass er glaubte, seinen Mercedes verkaufen zu müssen, sein einziges Kapital, wie er sich ausdrückt.
Die Leute kaufen nichts mehr, sagt Fred. Sie haben Angst. Vor Krankheit, Arbeitslosigkeit, Krieg, vor allem und jedem haben sie Angst, legen ihr Geld auf die hohe Kante, statt es auszugeben, und wenn nicht gekauft wird, wird auch nicht investiert. Da kann ich mir den Mund fusselig reden, deswegen stellen sie sich doch keine neue Maschine hin. Nur die Banken machen Kasse und die Spekulanten. Mit ehrlicher Arbeit kannst du heute nichts mehr verdienen. Sparpolitik. Überall wird gespart, beim Geld, beim Essen und Trinken, bei der Liebe. Schau dich doch mal um: Die sitzen hier doch alle da, als hätten sie soeben dem Tod ins Auge geblickt, stumm wie die Stockfische, kriegen das Maul nicht auf.
Sie trinken einen Korn zum Bier, dann noch einen Korn. Er habe sich die ganze Zeit nicht blicken lassen, sagt Fred, weil es ihm nicht gut gegangen sei. Gar nicht gut. Er sei in Behandlung gewesen wegen seiner Depressionen. Richtige Schübe seien das gewesen, in immer kürzeren Abständen. Mittlerweile habe er das im Griff. Seine Situation sei zwar, objektiv betrachtet, keinen Deut besser geworden. Aber er habe sich damit abgefunden, habe gelernt, das Beste daraus zu machen. Die Therapie habe ihm geholfen, und außerdem nehme er täglich Tabletten.
Ja, sagt Egon. Man darf sich nicht unterkriegen lassen.
Sehr überzeugend klingt das nicht, eher wie ein Aufruf zu einem Kampf, den er längst verloren weiß.
Manchmal, sagt Egon, habe ich Angst, dass alles um mich her zusammenbricht, das Haus, die Familie, dass etwas ganz Furchtbares passiert. Manchmal wache ich nachts auf und denke: Es ist passiert, und: Ich wars, ich hab es ausgelöst. Wahrscheinlich ist
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