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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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zwei Gläser und eine Flasche Korn. Aber Fred ist der Einzige, der trinkt.
    Egons Glas steht unberührt vor ihm auf dem Tisch.
    Scheiße, sagt Fred. So eine elende Scheiße!
    Um halb neun ruft Egon wieder im Krankenhaus an, eine halbe Stunde später noch einmal. Endlich bekommt er den behandelnden Arzt an den Apparat. Die Operation ist positiv verlaufen. Eine komplizierte Jochbeinfraktur. Aber im Prinzip nichts Dramatisches.
    Ob da was bleibt am Gesicht des Jungen?
    Das lasse sich noch nicht absehen, sagt der Arzt. Eine kleine Narbe vielleicht. Aber für einen Jungen sei das sicher kein Problem …
    Möchten Sie Ihre Frau sprechen?, fragt der Arzt. Die steht hier neben mir.
    Nein, nein, sagt Egon. Das ist nicht nötig. Sagen Sie ihr nur, dass ich angerufen habe.
    Als Edith gegen elf Uhr nach Haus kommt, sitzen Fred und Egon immer noch in der Küche. Die Kornflasche ist bis auf einen kleinen Rest geleert und auch Egon nicht mehr nüchtern.
    Fred! Ach, Fred!
    Edith hat den weißen Mercedes vor dem Haus gesehen. Erst in diesem Moment ist ihr wieder eingefallen, dass sie ja zu dem Konzert von Ronny Weigand hatten gehen wollen, auf das sie sich so gefreut hatte. Sie lässt sich auf den Stuhl neben Fred fallen, legt den Kopf an seine Brust und beginnt leise zu weinen.

52
    WEISS. ALLES UM ROBERT HERUM ist weiß, die Wände, der Tisch, das Bett, die Gardine, selbst das Licht, das zum Fenster hereinkommt, ist weiß, blendend weiß. Die Tür geht auf, die Schwester, weißer Kittel, weiße Haube, kommt im Sturmschritt ins Zimmer.
    Guten Morgen, Robert. Na, wie geht’s? Noch Schmerzen?
    Nein, sagt Robert. Es spannt nur ein bisschen im Gesicht beim Reden und beim Essen.
    Das ist die Naht, sagt die Schwester. Das gibt sich mit der Zeit.
    Robert ist seit drei Tagen hier in diesem Zimmer. Seine beiden Zimmernachbarn sieht er fast nie, sie sind den ganzen Tag mit ihren Gipsbeinen auf den Fluren des Krankenhauses unterwegs. Die ersten beiden Tage hat er fast nur geschlafen oder, wenn nicht geschlafen, dann gelegen und vor sich hin geträumt. Aber gestern durfte er aufstehen und auf dem Flur hin- und hergehen mit seinem Kopfverband, der das halbe Gesicht verdeckt.
    Wenn Sie wollen, können Sie nachher einen Spaziergang im Park machen, sagt die Schwester. Aber erst die Visite abwarten.
    Die Visite kommt kurz vor zehn.
    Sieht gut aus, sagt der Arzt, als die Schwester Robert den Verband abgenommen hat. Bald werden Sie wieder in Ihrer ganzen Schönheit erstrahlen.
    Nach der Visite zieht Robert seine Jacke über den Schlafanzug und macht einen Spaziergang durch den parkartigen Garten hinter dem Krankenhaus. Vor ihm am Stamm einer Buche ein Eichhörnchen, nicht braun wie in seinen Kinderbüchern, sondern dunkel, fast schwarz. Es sitzt da, unbeweglich, aber gespannt, den Herannahenden im Blick. Dann auf einmal klettert es den Stamm hinauf, springt auf einen Ast, von dort auf einen zweiten und ist im Grün verschwunden. Nur am Wippen der Äste kann Robert seinen Fluchtweg verfolgen.
    Robert folgt einem breiten Weg, der in einem weiten Bogen den ganzen Park durchmisst. Als er zurückkommt, sieht er schon von Weitem vor dem Hintereingang Fari. Sie raucht eine Zigarette und unterhält sich mit einem jungen Arzt. Ende zwanzig, Anfang dreißig schätzt Robert ihn. Sportlich, braun gebrannt. Der Arzt streicht ihr über das Haar, zeigt lachend seine weißen Zähne. Ein Stich in der Magengegend, nicht heftig, aber ein Stich. Robert bleibt stehen, hinter einem Busch verborgen sieht er, wie Fari sich mit dem jungen Arzt unterhält, wie sie lacht, flirtet. Er ist erstaunt, wie sachlich er es registriert. Fast, als wäre da nichts, nie etwas gewesen. Fari? Wie ein ferner Klang, wie ein verblassendes Bild aus einem früheren Leben. Wahrscheinlich weiß sie gar nicht, dass er hier ist. Woher sollte sie es wissen? Die Abteilung, in der sie arbeitet, ist in einem anderen Trakt des Gebäudes. Vielleicht hat sie versucht, ihn anzurufen. Aber sein Handy ist zu Haus in seinem Rucksack. Vielleicht hat sie es auch gar nicht versucht.
    Sie wird ihn nicht erkennen mit dem Kopfverband. Er erkennt sich ja selbst nicht, wenn er in den Spiegel schaut. Er braucht sich gar nicht hinter dem Busch zu verbergen. Als Robert näher kommt, sieht er, wie sie den Zigarettenstummel auf den Boden wirft und mit dem Schuh darauftritt. Sie blickt zu ihm hinüber. Nein, sie erkennt ihn nicht. Er überlegt, ob er den Mut aufbringt, an ihr vorbei ins Haus zu gehen. Aber da hält der

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