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Die schönste Zeit des Lebens

Die schönste Zeit des Lebens

Titel: Die schönste Zeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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Robert.
    Und die Arbeit in der Altenhilfe macht Spaß?
    Na ja, sagt Robert. Ich wollte halt keinen Militärdienst machen.
    Verstehe, sagt der Polizist.
    Eine Weile sitzen sie sich schweigend gegenüber. Der Polizist blättert lustlos in der Akte. Er sieht aus, als wisse er nicht recht, was er sonst noch fragen soll. Aber dann fällt ihm doch noch etwas ein.
    Wie spät war es eigentlich, als Sie an jenem Abend am Schock aufgebrochen sind?
    Wie spät es war?
    Ja, sagt der Polizist.
    So halb drei, denk ich, sagt Robert.
    Halb drei, sagt der Polizist und schaut plötzlich ganz nachdenklich drein.
    Und dann sind Sie die ganze Strecke zu Fuß nach Haus gegangen. Durch den Bunsenpark, nehme ich an. Und dann wie weiter?
    Darauf will er also hinaus. Robert spürt, wie ihm der kalte Schweiß ausbricht. Wie spät war es, als er das Polizeiauto und den Krankenwagen am Weidendamm sah? Drei Uhr? Maximal dreißig Minuten nach dem Unfall kann das gewesen sein. Wenn er zu Fuß nach Haus gegangen wäre, hätte er Zeuge des Unfalls werden können, zumindest hätte er an der Kreuzung Weidendamm/ Röntgenstraße das Fahrrad und die Frau auf dem Pflaster liegen sehen müssen. Vermutlich hätte sie um Hilfe gerufen, wenn da jemand vorbeigekommen wäre.
    Ich bin gejoggt, sagt Robert.
    Ah, gejoggt. Ein Sportsmann.
    Robert glaubt einen ganz leichten ironischen Unterton in der Stimme seines Gegenübers zu entdecken.
    Gejoggt, sagt der Polizist noch einmal. Den Weidendamm entlang bis zur Brauerei, nehme ich an. Und dann links ab in die Bredowstraße. Wie lange brauchen Sie da vom Schock bis nach Haus?
    Eine Viertelstunde vielleicht.
    Dann waren Sie also Viertel vor drei zu Haus?
    Ja, ungefähr.
    Ihre Mutter hat Sie aber erst nach drei Uhr nach Haus kommen hören.
    Die Stimme des Polizisten ist plötzlich hart und schneidend.
    Das stimmt doch alles nicht, was Sie mir da erzählen. Sie waren doch mit im Auto, als ihr die Frau auf dem Weidendamm angefahren habt!
    Robert sitzt da, den Kopf eingezogen, als erwarte er jeden Augenblick, geschlagen zu werden. Wie betäubt ist er angesichts des plötzlichen Ausbruchs, stumm, unfähig, ein Wort herauszubringen. Er müsste jetzt protestieren, um glaubwürdig zu wirken, er müsste sagen, dass es nicht stimmt, was der andere ihm unterstellt, dass er, Robert, die Wahrheit gesagt hat. Aber er sagt nichts, sitzt nur da, den Kopf eingezogen, den Blick gesenkt, und schweigt.
    Wie würdest du das nennen, wenn einer eine Frau auf dem Fahrrad anfährt, sie verletzt liegen lässt und das Weite sucht? Feigheit?
    Jetzt duzt der Polizist ihn: Wie würdest du das nennen? So wie man einen Feigling und einen Lügner duzt, als Zeichen der Verachtung. Robert antwortet nicht, wagt nicht aufzublicken, er spürt nur, dass ihm schlecht wird. Kalter Schweiß nässt sein Hemd, seine Hände prickeln.
    Sportsmann, sagt der Polizist. Joggt nachts um halb drei von der Disco nach Haus. Schon mal was von Fairness gehört?
    Dann steht er plötzlich auf, klappt verärgert die Akte zu, die vor ihm auf dem Schreibtisch liegt.
    Sag deinem Freund Andy – ihr seid doch Freunde? –, sag ihm, dass wir ihn erwischen, wenn nicht diesmal, dann beim nächsten Mal, sagt er. Und als Robert schon aufgestanden ist und zur Tür geht, ruft er ihm hinterher: Du könntest dir ja mal das Opfer im Krankenhaus anschauen. Lehmann, Zimmer 211. So ein Beckenbruch, das ist kein Spaß, wenn man schon etwas älter ist.
    Als Robert draußen die große Freitreppe hinuntergeht, wird ihm plötzlich schwindelig und er muss würgen. An einem Baum übergibt er sich. Lange steht er da, die Stirn an die raue Borke des Baums gelehnt. Passanten gehen vorbei, sehen das Erbrochene, wenden sich ab. Eine alte Frau bleibt stehen: Geht es Ihnen nicht gut? Brauchen Sie Hilfe?
    Alles in Ordnung, sagt Robert. Er gibt sich einen Ruck, wischt sich mit dem Taschentuch den Mund ab, geht zu dem Eisengeländer hinüber, wo er sein Fahrrad angeschlossen hat, schließt das Kettenschloss auf und fährt langsam davon.
    Frau Welach scheint zu spüren, dass Robert heute nicht die Kraft hat, nein zu sagen.
    Ach, Robert, können Sie die paar Teller und Tassen abwaschen?
    Robert, die Gardinen im Wohnzimmer müssen abgenommen und in die Waschmaschine getan werden.
    Können Sie mir mal die Programmzeitschrift geben, Robert? Nein, dort hinten auf der Kommode.
    Frau Welach liegt auf dem Sofa, zwei dicke Kissen im Rücken, den Blick unverwandt auf den Fernsehapparat gerichtet.
    Ich geh jetzt einkaufen,

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