Die schönste Zeit des Lebens
Veranda in den Garten und zum Schuppen hinüber. Dort legt er ab, was er aus dem Keller heraufgeschleppt hat: einen zerbrochenen Stuhl, ein altes Klappfahrrad, Bündel alter Zeitungen, Eimer mit eingetrockneter Wandfarbe.
Robert?
Die Mutter steht in der Tür.
Warum hilfst du ihm denn nicht ein bisschen? Du hörst doch, wie er sich quält.
Robert, der auf seinem Bett gelegen hat, richtet sich auf.
Warum fragt er nicht, wenn er Hilfe braucht?
Ach, du weißt doch, wie er ist, sagt die Mutter.
Weil sie immer noch in der offenen Tür steht und wartet, erhebt sich Robert jetzt, geht zögernd durchs Wohnzimmer auf die Veranda, sieht den Vater am Schuppen, wie er sich mit beiden Händen den Rücken hält.
Ist es noch viel?, ruft er dem Vater zu.
Ach, der Herr Sohn lässt sich auch mal blicken, sagt der Vater. Jetzt, wo das meiste schon erledigt ist.
Ja, was ist nun? Soll ich dir helfen oder nicht?, fragt Robert.
Du kannst das alte Bettgestell aus dem Keller holen, brummt der Vater.
Während Robert die Kellertreppe hinuntergeht, denkt er, was das für eine Sprache ist, die sie da sprechen, der Vater und er, eine Sprache, in der sich Wort aus Wort, Halbsatz aus Halbsatz ergibt, als sei da nur diese eine Möglichkeit: Ping! – Pong! Den Ball immer wieder zurück ins Feld des Gegners. Das kann immer so weitergehen oder jederzeit aufhören. Es macht überhaupt keinen Unterschied. Ping! – Pong! Ping! – Pong! Wie anders dagegen die Sprache in den Büchern, die in Frau Sternheims Wohnzimmer stehen, wie viel freier sie ist, voller nachdenklich machender Möglichkeiten, voller überraschender Wendungen ins Offene. In diesen Geschichten kann alles am Ende immer noch ganz anders kommen, als wir es in unserem Kleinmut erwarten.
Aber dann, als das Gerümpel aus dem Keller geholt und der Staub und Dreck zusammengekehrt ist, sitzen Vater und Sohn nebeneinander auf der Kartoffelkiste und trinken Bier aus der Flasche.
Eigentlich, sagt der Vater, wollte ich hier immer mal einen Partykeller einrichten.
Einen Partykeller?
Ja, mit einer richtigen Bar, an den Wänden Bänke, ein paar Tische, indirekte Beleuchtung, und in der Mitte Platz zum Tanzen.
Und warum hast du das nicht gemacht?
Der Vater sitzt da, die Hände auf den Knien, den Blick gesenkt. Eine Frage, die noch nie jemand an ihn gerichtet, die er sich selbst noch nie gestellt hat. Interessant eigentlich, aber schwer zu beantworten. Je länger man darüber nachdenkt … Lange sitzt der Vater da, schweigend, nachdenklich, blickt einmal den Jungen von der Seite an, wie um sich zu vergewissern, ob die Frage ernst gemeint war, senkt dann wieder den Blick in sich hinein.
Als ich so jung war wie du …, beginnt er dann, stockt, will noch einmal ansetzen, schaut auf, den Mund halb offen, staunend, stumm, als hätten ihn seine eigenen Worte sprachlos gemacht. Oder es ist gar nicht das, was er sagen will, vielleicht gehen seine Gedanken und seine Worte auch getrennte Wege, Wege, die nirgends ankommen, sich im Nichts verlieren.
Seufzen. Abwinken. Schweigen. Eine Weile sitzen sie noch nebeneinander, Vater und Sohn, ohne zu sprechen. Dann schlägt der Vater sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel, als wolle er sich zur Ordnung rufen, erhebt sich ächzend, greift nach dem Besen und geht langsam die Treppe hinauf.
24
SONNTAGMORGEN. ROBERT LIEGT noch im Bett, unentschlossen, ob er weiterschlafen oder aufstehen soll, da klopft es an der Fensterscheibe, einmal, zweimal. Tom steht draußen, reckt den Kopf zum Fenster herein.
He, Alter! Komm mal raus, wir müssen was besprechen.
Jetzt??
Es ist neun durch, sagt Tom.
Und was gibt es zu besprechen?
Marita geht es nicht gut.
Marita?
Ja, sagt Tom. Der Andy ist verschwunden. Seit Freitag schon. Sie macht sich Sorgen, dass ihm was passiert ist.
Andy. Kann man sich um Andy Sorgen machen? Verblüfft stellt Robert fest, dass er das bisher gar nicht für möglich gehalten hat.
Willst du reinkommen?
Ich warte draußen, sagt Tom.
Okay. Fünf Minuten.
Als Tom und Robert eine halbe Stunde später im Café Sandmann auftauchen, sitzt Marita schon da, blass, mit geröteten Augen, rührt in ihrem Milchkaffee.
Hi!
Hi!
Hi!
Lange Pause. Die Bedienung kommt, Tom bestellt eine Cola, Robert einen Cappuccino.
Na?
Marita versucht ein Lächeln, rührt in ihrem Kaffee, schweigt. Ein Dackel kommt unter dem Nachbartisch hervor, legt den Kopf schief, schaut die drei der Reihe nach an, kriecht dann wieder zurück unter den Tisch.
Richtig
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