Die schönsten Dinge
vermute ich schon seit Wochen, seit ich eines Morgens in seinem Bett im Bungalow hinter dem Haus seiner Eltern früh aufgewacht bin und gemerkt habe, dass er mich ganz gefühlsduselig anstarrt. Als ich den Teller mit den Pfannkuchen auf den Tisch stelle, nimmt er meinen Arm und zieht mich auf einen Stuhl.
»Della.« Ich halte die Luft an, aber er deutet nur auf die andere Seite des Raums. »Der alte Kühlschrank gibt doch bald den Geist auf. Ich würde dir gerne einen neuen besorgen. Doppeltür. Titan. Eiswürfelbereiter. Noch verpackt. Damit hat es dein Vater zur Cocktailstunde viel leichter.«
Ich atme aus. »Das warâs? Darüber wolltest du mit mir reden?«
»Na ja, nein.«
»Timothy.« Ich reibe mir mit der Faust über die Schläfe, dann schnappe ich mir das Küchentuch und hantiere mit dem Geschirr in der Spüle herum. Ohne ihn anzusehen, sage ich: »Es läuft doch sehr gut zwischen uns. Es lief die ganze Zeit gut. Nur SpaÃ. Keine Verpflichtungen. Mach es nicht kaputt.«
»Ich will nichts kaputt machen«, sagt er. »Ich will es besser machen.«
Er steht auf, aber in diesem Moment klingelt das Handy in der Tasche meines Morgenmantels. Mit einer genuschelten Entschuldigung ziehe ich mich an die Spüle zurück. Schon bevor ich mich melde, weià ich, dass es Daniel Metcalf ist.
Mit einem Kunden zu schlafen ist tödlich. Bei allen Andeutungen und Witzeleien weià mein Vater, dass man diese eine Regel niemals brechen darf. Es stimmt, in unserem Geschäft gehört eine gewisse erotische Spannung dazu. Manche würden es als Verführung bezeichnen, aber das trifft es nicht. Es ist mehr als das: das Herstellen einer Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau als Grundlage von Vertrauen, der Tausch von Geld gegen Nähe, die kostbarer und auch seltener ist, und das Kunststück, die Aufmerksamkeit des Kunden von der harten Realität des Geldes auf die angedeutete VerheiÃung zu lenken.
Aber mit einem Mann zu schlafen und anschlieÃend mit seinem Geld und seinem Stolz zu verschwinden führt mit Sicherheit in eine Katastrophe. Irgendwo muss ich ja leben. Ich kann nicht völlig verschwinden, und ich muss an meine Familie denken. Der Kunde darf sich nicht so ausgenommen fühlen, dass er mich vernichten will, nicht so verletzt oder so verloren ohne mich, dass er sein (meist beträchtliches) Vermögen einsetzt, um mich aufzuspüren. Diese Grenze darf man nicht überschreiten.
In meinem Job ist es nicht einfach, Männer kennenzulernen. Wenn man jemanden trifft, erzählt man erst einmal, wer man ist und was man macht. Natürlich könnte ich lügen, aber dann wäre es doch wie bei der Arbeit. Timothy kann ich vertrauen. Auf seine Familie ist Verlass, er ist der Sohn von Felix dem Hehler, einem Freund meines Vaters. Er ist auf eine jungenhafte, ernste Art attraktiv. Als Kinder haben wir oft miteinander gespielt, nicht bei ihm, wo man ständig über Lieferungen und Gabelstapler und Kunden stolperte, sondern hier unter den Apfelbäumen mit Sam und den anderen. Die Sache mit uns beiden hat uns gutgetan, aber ich habe das Gefühl, dass es bald vorbei ist.
»Hoffentlich störe ich Sie nicht gerade bei der Jagd nach einem wilden Tier«, sagt Daniel.
Ich stelle ihn mir mit dem Handy in der Hand vor, die Kante des glänzenden Metalls parallel zu der weiÃen Narbe auf seiner Handfläche.
Hellhörig geworden, dreht Timothy sich um, stützt die Ellbogen auf die Rückenlehne und das Kinn in die Hände. »Daniel?«, formt er lautlos mit den Lippen. »Wer ist Daniel?«
Ich mustere Timothy mit seinen gerunzelten Brauen und den runden Wangen, die seine Augen fast zudrücken. Mit dem Kopf deute ich zur Küchentür und drehe mich weg, so gut es geht. »Nein, ich sitze gerade zu Hause, wo kein Student mich stört, und arbeite langweiligen Schreibkram ab.«
Plötzlich steht Timothy neben mir. Er tut so, als wolle er sich über der Spüle die Hände waschen, aber er hat den Kopf schief gelegt und lauscht. Im ersten Moment sage ich mir, dass er mir als Freund fürs Leben sehr wichtig ist, dass er unsicher ist und besorgt und ich nett sein sollte zu ihm, aber eigentlich würde ich ihm seine neugierigen Lauscher am liebsten unter den Wasserhahn halten. Ich gehe ans andere Ende der Küche und drehe ihm den Rücken zu.
»Vielleicht kann ich Sie ja ablenken«,
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