Die schönsten Dinge
Kopf ein Pfund.
Später erklärte die Regierung den Tasmanischen Tiger in einem Anfall beispielloser Tatkraft zu einer geschützten Art, ganze neunundfünfzig Tage bevor das letzte Exemplar in Gefangenschaft an Vernachlässigung starb. Sie hieà Thylacine oder mit ganzem Namen Thylacinus cynocephalus . Während die Art in Tasmanien bis in die DreiÃigerjahre überlebte, war sie im Rest des Landes seit etwa zweitausend Jahren ausgestorben.
Am Anfang der Planungsphase hätte ich die Idee beinahe verworfen. So etwas Lächerliches konnte doch niemand glauben. Dann ist mir das Lieblingszitat meines Vaters eingefallen, ein Satz von H. L. Mencken: »Die Amerikaner empfinden seit je die gröÃte Bewunderung für die frechsten Lügner und die tiefste Verachtung für diejenigen, die versuchen, ihnen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.«
Ich hatte immer den Verdacht, dass Mencken das traurig fand, auch wenn mein Vater das sicher nicht tat. Er hat mir beigebracht, das würde nicht nur auf Amerikaner zutreffen, sondern auch auf uns und auf Menschen überall. Also dachte ich: Es ist lächerlich zu behaupten, dieses Tier könnte noch leben, aber ich werde es trotzdem wagen.
Der Scheck wird ohne groÃe Feierlichkeiten überreicht. Carmichael wird ihn mir in einem einfachen Umschlag geben, allein mit mir in dem Zimmer, in dem ich heute gesessen habe. Ein Konto auf den Namen einer Zweidollarfirma, der Forschungsstiftung Tasmanische Tiger, ist schon eröffnet. Nächsten Montag um diese Zeit habe ich den Scheck bereits eingereicht. Am Freitag nächster Woche habe ich das Geld schon abgeholt und das Konto geschlossen. Als hätte es nie eine Dr. Ella Canfield gegeben. Und Daniel Metcalf werde ich nie wiedersehen.
Das Metcalf-Projekt steht heute Abend als Letztes zur Diskussion. Davor haben wir einen Plan von Beau besprochen, bei dem es um Phantasierechnungen für Internetwerbung an groÃe, schlecht organisierte Firmen ging, und kurz ein Projekt meines Vaters abgehandelt, das keine groÃe Planung verlangt. Er bereitet einen weiteren Schwindel mit falschen Smaragden vor, wie er ihn schon als junger Mann durchgezogen hat. Dieses Mal hat er ein Paar antiker Ohrringe, wahrscheinlich exzellente grüne Turmaline oder geschliffene Zirkone. Die Schmucksteine selbst sind noch nicht eingetroffen, aber mein Vater hat schon ein Hochglanzfoto von ihnen und einen skrupellosen Käufer in den Startlöchern. Ich habe ihn nie gefragt, woher er die Steine bekommt, und er würde es mir auch nicht verraten. Das musst du nicht wissen , würde er antworten, vielleicht mit einem Zwinkern. Meine Kleine soll ja nicht in die Schusslinie geraten, wenn uns alles um die Ohren fliegt.
Nachdem sich mein Vater, Ruby, Tante Ava und Onkel Syd zurückgezogen haben, bleiben wir sechs Kinder noch für eine Weile im Esszimmer zwischen den vergoldeten Spiegeln und museumsreifen Fellteppichen. Weil die alten Stühle unbequem sind, legt sich Sam auf das Sofa, um eine Zigarre zu rauchen. Er schiebt die Sofaschoner mit den FüÃen weg, bis sie zerknüllt zu Boden fallen. Greta und Beau strecken sich vor dem Kamin aus. Anders und Julius lassen sich in Chesterfieldsessel sinken, während ich es mir auf der Chaiselongue bequem mache. Aus groÃen Schwenkern trinken wir den Cognac meines Vaters und reden über frühere und zukünftige Schwindeleien und unsere glorreiche Kindheit, als mein Vater, Ruby, Ava und Syd in ihrem alten Mercedes voll Glanz und Glamour nach Hause kamen und Geld in die Luft warfen, damit wir Kinder es wie das Laub der Apfelbäume auffangen konnten.
Als es kühler wird, macht Julius mit trockenem Apfelholz Feuer im Kamin. Wir schwelgen in Erinnerungen an die wunderbaren Ferien, die wir als Kinder erlebt haben. Mein schönster Urlaub war eine Autofahrt die Küste entlang, nur mit meinem Vater, Ruby, Sam und mir. Wir waren frei, die Tage lang und warm, und mein Vater hat uns Kinder auf einer Karte, die er zusammengefaltet im Handschuhfach aufbewahrt hat, das Ziel für den nächsten Tag aussuchen lassen. Tagsüber haben wir mit einem riesigen Weidenkorb Picknick gemacht oder geangelt, sind am Strand spazieren gegangen oder haben uns von meinem Vater alte Familiengeschichten erzählen lassen, und nachts haben wir unter den Sternen geschlafen.
Die vielen Erinnerungen haben uns allzu lange aufbleiben lassen, und so schleichen wir jetzt
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