Die schönsten Dinge
und Abheften hat uns riesigen Spaà gemacht, so wie andere Kinder Sammelmappen über Popstars und Schauspieler anlegen.
Gleichzeitig habe ich mir als Kind wahnsinnige Sorgen wegen dieser Akten gemacht. Für mich waren sie extrem belastende Beweise. Das hat mich sogar nachts wachgehalten. Wenn ich nicht schlafen konnte, habe ich mich morgens in der Dämmerung hinausgeschlichen und Schloss und Fenster überprüft. Als ich einmal in panischer Angst aus einem Albtraum aufgeschreckt bin, habe ich aus der Küche Streichhölzer geholt und damit zitternd eine Stunde lang im fahlen Licht neben dem Laubhaufen gehockt, den ich an einer Wand der Hütte aufgeschüttet hatte. Ich wollte die Beweise für immer vernichten, aber ich habe es nicht über mich gebracht. Als ich meinem Vater davon erzählte, hat er nur gelacht und gesagt: »Reine Indizien, Kleines. Die Leute sammeln alle möglichen seltsamen Dinge. Teddys und Teelöffel und Coladosen. Das würde vor Gericht nie standhalten.«
Nachdem ich Dr. Eng belauscht hatte, suchte ich mir also am nächsten Tag die Akte mit der Aufschrift Metcalf heraus. Sie war prall gefüllt mit der Geschichte des Bergbauunternehmens und der Familie. Arnold und Frances Metcalf sind auf dem Weg in den Skiurlaub bei einem Autounfall gestorben. Zu zweien ihrer drei Kinder gab es dicke Akten: Artikel und Interviews aus Wirtschafts- und Modezeitschriften über Celestes Umzug nach Sydney und ihre international erfolgreiche Firma für Bademoden sowie Reportagen aus Frauenzeitschriften mit Fotostrecken über Gabrielles Hochzeit mit dem Erben eines Medienimperiums und ihre drei bezaubernden Kinder.
Ganz hinten steckte eine schmale Mappe über Daniel, den Jüngsten. Ihr Inhalt bestand nur aus herausgerissenen Klatschseiten, die Daniel mit einem hübschen Mädchen nach dem anderen im Arm zeigten. Auf den ersten Blick wirkt er nicht unbedingt attraktiv. Seine Nase ist zu groà und schief, als wäre sie gebrochen. Seine Augen liegen zu tief in den Höhlen, und sein Kinn ist zu markant. Bei meiner Arbeit habe ich viele Männer wie ihn kennengelernt, reiche MüÃiggänger, die im Grunde alle gleich sind. Nur auf einem Blatt, einer Seite aus einer Sonntagszeitung, stand auch Text. Es war ein Artikel aus einer Rubrik wie »Sechzig Sekunden mit â¦Â«, mit denen Herausgeber eine Seite mit Antworten aus E-Mail-Fragebögen füllen, statt einen Journalisten zu einem langen Interview loszuschicken.
Nirgends fand sich ein Hinweis darauf, warum der Text erschienen war. Daniel brachte weder ein Buch heraus noch eine Show, für die er Eintrittskarten losschlagen musste. Zwischen platten Fragen wie »Meine beste Eigenschaft ist â¦Â« und »Ich bin am glücklichsten, wenn â¦Â« und den geistreichen Antworten sprang mir eine ins Auge: »Mein seltsamstes Erlebnis war â¦Â« Daniels Antwort lautete: »⦠als ich mit acht Jahren im Wilsons-Promontory-Nationalpark einen Tasmanischen Tiger gesehen habe.«
D as war erst der Anfang. Es hat noch eine Weile gedauert, bis die beiden Ideen in meinem Hirn zusammengefunden haben. Ich musste in den Universitätsarchiven Einzelheiten über die Stiftung herausfinden, mit früheren Preisträgern sprechen und ihnen mehr entlocken, als sie eigentlich sagen sollten. Und einen Förderantrag stellen, dem er nicht widerstehen konnte. Am Anfang hielt ich das für unmöglich. Lächerlich. Aber allmählich nahm mich die Idee gefangen, und das ist immer ein gutes Zeichen. Wenn ich mich selbst für eine Sache begeistern kann, kann ich auch einen Kunden begeistern.
Tasmanische Tiger sind ein Relikt der Vorzeit. Sie waren Beuteltiere und damit enger mit Kängurus und Koalabären verwandt als mit Tigern, obwohl ihr Fell hinten am Rücken, an den Hinterläufen und der Schwanzwurzel gestreift war und sie kleinere, schwächere Tiere jagten. Und wie jedes Kind in Australien weiÃ, folgte der Tasmanische Tiger 1936 der Wandertaube und dem Dodo. Es gibt einen körnigen Schwarz-WeiÃ-Film, in dem die Letzte ihrer Art im Zoo von Hobart in ihrem engen Drahtverschlag auf und ab läuft, als wüsste sie, dass das Ende naht. Der Film wurde 1933 aufgenommen, 1936 ist sie gestorben, und das warâs. Man hatte ihre Art bis zur Ausrottung gejagt und ihre Heimat zerstört. Eine Zeit lang zahlte die tasmanische Regierung für jeden abgelieferten
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