Die schönsten Dinge
engstem Raum zu unterbesetzten Gebäuden mit leeren Büros und Teilzeitdozenten verwandelt, die niemand dem Aussehen oder auch nur dem Namen nach kennt.
Im Institut für Zoologie etwa steht das Zimmer 257 leer, im zweiten Stock gleich beim Aufzug. Die Lage ist gut, damit laufen wir weniger Gefahr aufzufallen als bei einem Zimmer am anderen Ende des Ganges. Das Gebäude habe ich schon erkundet. Dazu gehört, dass ich die Ausgänge und, noch wichtiger, die Toiletten überprüfe. Das habe ich auch am Freitag in Metcalfs Villa getan, bevor ich zu Daniel gebracht wurde. Auch wenn man nicht mit Problemen rechnet, sollte man nachsehen, ob die Fenster der Toilettenräume vergittert oder verriegelt sind und ob man sich notfalls durchquetschen könnte. Die Lage kann sich manchmal sehr schnell zuspitzen, man sollte immer vorbereitet sein.
Den Schreibtisch, den Stuhl und die abblätternde Farbe an der Wand haben wir schon so vorgefunden, und niemand hat die Lieferantin bemerkt, die morgens um acht noch ein paar Kartons gebracht hat. Jetzt ist das Zimmer mit gerahmten Zeitungsausschnitten, einer albernen Abschiedskarte aus Harvard und ein paar akademischen Würdigungen von unbedeutenden Einrichtungen geschmückt. Es gibt einen Kaffeebecher mit dem Namen »Ella« darauf, zwei Fotos von einem älteren Paar und eines von drei blonden Kindern â meine imaginären Eltern, Nichten und mein Neffe â, Papierstapel und Zeitschriften, ein Glas mit in Folie eingewickelten Pralinen und einen Regenschirm.
Der Overall der Lieferantin liegt zusammengefaltet in einem Karton unter dem Schreibtisch. Jetzt trage ich eine schlichte, schmal geschnittene Hose und ein schwarzes Oberteil mit kurzen Ãrmeln. Im Gegensatz zu Greta zeige ich normalerweise nicht viel Haut, nur Figur. Darüber trage ich einen Laborkittel â vielleicht nicht unbedingt passend für einen Tag im Büro, aber wahrscheinlich erwartet der Laie so etwas. Um meinen Hals hängt eine blaue Kordel, an der ein Sicherheitsausweis klemmen sollte, aber der Ausweis steckt in der Brusttasche meines Kittels, damit niemand sieht, dass er nur aus einem Stück laminierter Pappe besteht. Nicht gerade eine befriedigende Lösung, aber wir hatten keine Zeit, einen echten Ausweis zu besorgen. Gestern Abend hat Anders noch meine Brille repariert. Ein Bügel war verbogen. Jetzt sitzt sie besser.
Mir bleiben noch zwanzig Sekunden, als ich die Tür von meinem neuen Büro öffne und mit doppelseitigem Klebeband drei Namensschildchen an die AuÃenseite klebe. Auf einem ist »Dr. Ella Canfield« eingraviert. Die beiden Namen darunter sind auf Papierfetzen geschmiert: Elvis Aaron Presley und Dr. A. B. Snowman. Beim ersten Klopfen öffne ich die Tür.
Daniel deutet auf die Schildchen. »Sie befinden sich ja in illustrer Gesellschaft«, sagt er.
Mit finsterer Miene sehe ich mich um, ob der Gang leer ist. Dann ziehe ich die falschen Namen ab und knülle sie zusammen. »Meine Kollegen aus dem Nebenzimmer. Sie forschen über Beuteltiere. Mein Projekt sorgt bei ihnen ständig für Heiterkeit. Offenbar halten sie es nicht für sehr aussichtsreich.«
Er bleibt vor dem Schreibtisch stehen, während ich die Tür schlieÃe und mich anlehne. »Daniel, hätten Sie etwas dagegen, wenn wir woandershin gehen? Wenn Larry, Curly und Moe von nebenan etwas mitbekommen, kann ich mir das noch ewig anhören.«
»Klopfen Sie doch bei ihnen an und laden Sie sie ein«, sagt er. »Sie können Ihre Kollegen bestimmt davon überzeugen, dass hier in Victoria noch Tasmanische Tiger leben. Erzählen Sie ihnen von dem Rind. Und den Wassermelonen. Sie sind sehr überzeugend.« Er kommt zurück und bleibt nur einen Schritt vor der Tür stehen, aber ich halte die Stellung.
»Das habe ich schon versucht. Sie hören nicht zu.«
»Zeigen Sie ihnen Ihre Unterlagen.«
»Ich habe es schon mit allem Möglichen versucht. Mit den Aufzeichnungen vom Direktorium des Wilsons Promontory, das 1908 darüber beraten hat, in Tasmanien Tiger zu fangen und sie im Park für die Jagd auszusetzen. Mit den Beweisen für die vielen anderen Tiere, die im 19. Jahrhundert von der Akklimatisationsgesellschaft von Queensland an verschiedenen Stellen ausgesetzt wurden. Es spricht vieles dafür, dass sie im Park gelebt haben, und wenn man an die Sichtungen denkt, ist es absolut möglich, dass
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