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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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lassen, wofür sie sich bei ihm wie für eine besondere Wohltätigkeit bedankte, obwohl Wassili Andrejitsch, selbst bei Berechnung des niedrigsten Lohnes, hätte zwanzig Rubel zahlen müssen.
    »Haben wir mit dir vielleicht Verträge gemacht?«, pflegte Wassili Andrejitsch zu Nikita zu sagen. »Brauchst du was, so lass es dir geben und arbeite es ab. Bei mir ist es nicht wie bei andern Leuten, die auf später vertrösten, mit Abrechnungen kommen und Strafen abziehen. Bei uns geht alles nach Treu und Glauben. Du arbeitest für mich, und ich sorge dafür, dass du nicht zu kurz kommst.«
    Wenn Wassili Andrejitsch das sagte, war er ehrlich überzeugt, Nikita ständig Wohltaten zu erweisen; er konnte so überzeugend reden und wurde durch alle von ihm materiell abhängigen Leute, angefangen mit Nikita, so in dieser Meinung bestärkt, dass er wirklich glaubte, niemanden zu übervorteilen, sondern allen nur Gutes anzutun.
    »Ja, das verstehe ich, Wassili Andrejitsch, und auch ich arbeite und mühe mich ja für Euch ab wie für einen leiblichen Vater. Das verstehe ich sehr gut«, antwortete dann Nikita, der zwar genau wusste, dass er von Wassili Andrejitsch übers Ohr gehauen wurde, doch zugleich fühlte, dass es aussichtslos war, bei ihm auf eine genaue Abrechnung zu dringen, und dass er, solange sich ihm keine andere Stelle bot, ausharren und mit dem zufrieden sein musste, was er bekam.
    Als Nikita jetzt von seinem Herrn den Befehl zum Anspannen erhielt, ging er, gutgelaunt und diensteifrig wie immer, mit seinen nach innen gekehrten Füßen flink und elastisch ausschreitend, in die Scheune, nahm das an einem Nagel hängende, mit einer Quaste verzierte, schwere Lederzaumzeug und begab sich, mit den Ringen des Mundstücks klimpernd, zum Stall, wo als Einziges das von Wassili Andrejitsch zum Anspannen bestimmte Pferd stand.
    »Na, hast wohl schon Langeweile gehabt, du Dummerchen?«, antwortete Nikita auf das leise Gewieher, mit dem ihn der in einem Einzelverschlag stehende Muchorty, ein gutgebauter mittelgroßer Hengst mit leicht abfallenden Weichen und dunkelbraunem, an Kopf und Beinen gelbgesprenkeltem Fell, begrüßte. »Nun, nun! Warte doch, lass uns zuerst zur Tränke gehn.« Nikita redete mit dem Pferd wie mit einem Geschöpf, das alles versteht. Nachdem er dem wohlgenährten und sorgfältig gepflegten Hengst vom Rücken, wo sich in der Mitte eine leichte Rille abzeichnete, mit einem Zipfel seiner Pelzjacke den Staub abgewischt hatte, zog er ihm das Zaumzeug über den schönen jungen Kopf, befreite ihm Ohren und Schopf und führte ihn zur Tränke.
    Als Muchorty vorsichtig aus dem mit Mist überhäuften Verschlag herausgetreten war, begann er zu tänzeln und tat so, als wolle er mit dem Hinterbein nach dem auf dem Weg zum Brunnen im Trab neben ihm herlaufenden Nikita ausschlagen.
    »Spiel nur, spiel nur, du Schelm!«, rief ihm Nikita zu, er wusste schon, wie vorsichtig Muchorty mit dem Hinterbein ausstieß, immer nur so weit, dass er seinen speckigen Halbpelz berührte. Diese Laune des Hengstes mochte er besonders gern.
    Nachdem sich Muchorty an dem kalten Wasser satt getrunken hatte, holte er tief Luft, bewegte die kräftigen nassen Lippen, von deren Haaren klare Wassertropfen in den Trog rannen, blieb eine Weile wie in Gedanken versunken regungslos stehen und schnaubte dann plötzlich laut.
    »Willst du nicht mehr, dann lass es bleiben, mir soll’s recht sein; aber bitte komm mir nicht hinterher«, setzte Nikita dem Hengst in ganz ernsthaftem Ton ausführlich sein Betragen auseinander und lief dann, das nach allen Seiten übermütig ausschlagende junge Pferd am Zügel hinter sich herziehend, zum Stall zurück.
    Von den andern Knechten war keiner zugegen; nur ein fremder Bauer, der Mann der Köchin, der zum Fest zu seiner Frau gekommen war, hielt sich im Hof auf.
    »Geh zum Herrn, mein Guter«, rief ihm Nikita zu, »und frage, welcher Schlitten angespannt werden soll, ob der große breite oder der kleine!«
    Der Mann der Köchin ging in das mit Eisenplatten gedeckte, auf einem hohen Fundament stehende Haus und kehrte bald mit dem Bescheid zurück, dass der Herr den kleinen Schlitten anzuspannen befehle. Nikita, der dem Pferd inzwischen schon das Kummet und das mit kleinen Nägeln beschlagene Sattelzeug angelegt hatte, trat nun, in der einen Hand das gestrichene leichte Krummholz haltend und mit der andern das Pferd führend, an zwei unter dem Schutzdach stehende Schlitten heran.
    »Soll’s der kleine sein, dann nehmen

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