Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
im Weg stehen. Von Mitgefühl und Neugierde ergriffen, ging er hinzu und wollte sehen, ob nicht etwa schon sein Schatz unter den Leichen sei, die auf dem Karren lagen. Und so war es, auch seine Geliebte wurde noch als Kranke mit zu den Toten gegeben, sie war noch am Leben. Sie bat ihn, er möge sie doch vom Karren holen, und schnell hob er sie herab, brachte sie hinter einen Stall und legte sie unter einem Zwetschkenbaum ab. Als der Kollege wenig später aus dem Haus trat, merkte er nicht einmal, dass etwas von seiner Last fehlte. Die Kranke aber wurde unter der liebevollen Pflege ihres Geliebten bald wieder gesund und sie konnten heiraten.
Vom Liechtensteinischen kamen eines Nachts zwei Gespenster der Ill zu. Das eine trug einen Besen, das andere eine Schaufel. Am Fluss sagte das eine zum andern:
„Geh du da und schaufle da durch, und ich geh da und kehre da durch!“
So trennten sie sich und zogen in die Täler, es war die Zeit des großen Sterbens. Wen sie nur ansahen, der taumelte und wurde schwarz. Wer nur nieste, erkrankte an Fieber und fiel am gleichen Tag tot zu Boden. Am Niesen erkannte man es am besten und die Leute sagten dann voll Angst: „Helf Gott!“ und „Helf Gott allen!“ In Feldkirch starben in der Mitte des 15. Jahrhunderts in einem Jahr vierhundert Menschen und der Salzmarkt konnte nicht mehr auf der Illbrücke abgehalten werden, sodass er in die Tschalenga bei Bludenz verlegt wurde. Zweihundert Jahre später kam die Pest dann mit den Schweden wieder. Da wurde jedes siebte Haus ganz leer und das Sterben hörte erst auf, als die Bürger gelobten, eine Kirche zu bauen. Das ist die Kirche „Unserer Lieben Frau“ beim Churer Tor.
Als in Parthenen die Pest wütete, hörte man vom „obera Wald“ auf dem Weg zum Zeinisjoch einen sonderbaren Ruf:
„Ässant Rekolder un Baldria,
denn kon dr all dr’vo,
aber ke Jochwarza,
sos wörd’s ni all potza.“
Selbst zu den abgelegensten Alpen fand die Pest ihren Weg, und so kam sie auch in die Verbella-Alpe. Die Senner flohen auf den Gamverbella, gegen Tafamunt hinaus. Aber die Menschen blieben nicht verschont. So heißt eine Stelle, wo die Leichen begraben wurden, heute noch „of’m Freithöfli“.
Als alles vorbei war, hörte man ein Vögelein singen:
„Hett’n dr g’gässa Bibernälla, Baldria
un Jensa (Enzian) o,
so wären dr ko all dr’vo.“
Von den Zwing- und Geistermessen
Eine fromme alte Frau ging jeden Tag in die Frühmesse. Da sie aber keine Uhr besaß, konnte sie nie genau sagen, wie spät es war. In der Winterszeit passierte es nun einmal, dass sie in die Kirche kam und alles noch stockdunkel war. Sie setzte sich aber schon auf ihren gewohnten Platz in der ersten Bank, und es dauerte auch nicht lange, da erschien schon der Priester mit den Ministranten aus der Sakristei. Die alte Dame glaubte sich im ersten Moment zu täuschen, aber dann war sie sich ziemlich sicher, das war nicht der jetzige Pfarrer, der das Hochamt hielt – dieser Pfarrer war schon seit Jahren verstorben! Ungläubig schaute sie sich um und erkannte viele bereits verstorbene Gemeindemitglieder. Mit Entsetzen wartete sie das Ende der Messe ab und lief dann eilig zur Kirchentür, da trat ihr eine alte, verstorbene Nachbarin in den Weg und riet ihr, das Halstüchl in der Bank zu lassen. So tat die Frau und lief schleunigst nach Hause, wo sie sich gleich ins Bett legen musste; die Kirchturmuhr schlug gerade ein Uhr nachts.
Als dann am Morgen die Kirchgänger auf dem Weg zur wirklichen Frühmesse am Friedhof vorbeikamen, sahen sie auf jedem Grab ein Stück von dem zerfetzten Kopftuch liegen.
Eine andere Art von mitternächtlicher Messe ist die „Zwingmesse“. Der Sage nach können einige Priester so eine Messe lesen, in der eine Seele in die Kirche gezwungen wird, um mit dem Auftraggeber, der in der ersten Bank sitzen muss, zu reden. Auch in Wildon, am Südende des Grazer Felds, wurde einmal eine solche Zwingmesse abgehalten. Nur blieb das geheime Amt nicht im Kreis der Familie, und so haben einige Schaulustige Leitern an die Kirchenmauern gestellt und durch die Fenster zugeschaut. Als sie dann hinabschauten, da sahen sie Sachen, die sie lieber nie gesehen hätten, ja, einige sollen fast wahnsinnig geworden sein.
Auch die Witwe des ehemaligen Verwalters Hukade von Schloss Arnfels soll eine solche Zwingmesse bestellt haben. Ihr verstorbener Mann war zu Lebzeiten immer sehr streng mit Mensch und Vieh gewesen, und das ließ der Frau keine Ruhe. Der
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