Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
betete, war vor ihr sicher.
In einem Wald bei Wels stand vor vielen Jahren eine Mühle. Eines Nachts wurde der Müller von Wagengerassel, Pferdegetrappel, Katzengeschrei und verworrenen Stimmen geweckt. Der wachsame Haushund bellte wütend, und um die eigene Angst zu unterdrücken, feuerte ihn sein Herr auch noch an. Als es dann wieder still wurde, erschien eine dunkle Gestalt am Fenster und rief dem Müller mit heiserer Stimme zu:
„Komm her, Hans! Du hast uns mit deinem Hund heute jagen geholfen, da bekommst auch du einen Teil der Jagdbeute!“
Nun wurde ihm durch das Fenstergitter ein großes Stück Fleisch in die Stube geschoben. Als es Morgen war, besah der Müller mit Grauen das unheimliche Geschenk. Da es unappetitlich aussah, ging er und warf es in den Mühlbach. Als er wieder in die Stube zurückkam, lag es jedoch am alten Platz. Da gab er es den Hunden und Schweinen, aber keiner rührte es an, auch das Vergraben im Garten half nichts. Da riet ihm der befragte Pfarrer, es im roten Moor zu vergraben. Der Müller tat es und war von dem unheimlichen Wildbret endlich befreit.
Bei Ternberg ging ein Bauer durch den Wendbachgraben, da hörte er die Wilde Jagd durch die Lüfte brausen. Er blieb stehen und rührte sich nicht, denn sonst hätte sie ihn mitgenommen. Plötzlich fiel ihm aus dem Nichts eine Kette vor die Füße und eine Stimme rief:
„Pack an!“
Dem Bauern war nicht wohl bei der Sache und er wickelte die Kette dreimal um den nächsten Baum. Da rief es:
„Zieh deine Stiefel aus. Weil du so stark bist, bekommst du deinen gerechten Lohn.“
Nun fiel ein starker Hirsch vor ihm nieder, dessen Blut der Bauer in seine Stiefel zu füllen hatte. Als er heimkam, hatte sich das Hirschblut in blankes Gold verwandelt.
In Pischelsdorf war es ein Schafsfuß, der den Frauen von der Wilden Jagd ins Haus geworfen wurde. Diese waren gerade beim Fensterputzen, hatten die Fenster noch nicht wieder eingehängt und fingen an zu spotten, als die Wilde Jagd vorbeisauste. Die übermütigste Magd wurde vom Geschoß getroffen, und als sie ein Jahr darauf ein Kind bekam, hatte es ein schafähnliches Gesicht und starb schon in der ersten Silvesternacht.
Frau Perchtl und das Kind mit dem Tränenkrüglein
Am Fuße des Eisenerzer Reichensteins lebte vor einiger Zeit eine arme Frau in einer Hütte. Arm war sie deshalb, weil erst ihr Mann starb, da war sie hochschwanger, und gleich nach der Geburt starb auch noch das Kind! Was hat diese arme Frau geweint, man hat sie gar nie mehr lachen gesehen, und jeden Tag wurde sie schmäler und schmäler. Eine Nachbarin meinte es gut mit ihr und gab ihr einen Rat:
„Den Toten darf man schon nachweinen, aber auch nicht zu viel, denn das tut ihnen weh. Sie wissen dann nicht, wohin sie gehören und meinen, sich nicht zur ewigen Ruhe legen zu dürfen.“
Doch die Frau konnte nicht anders, ihr kamen einfach immer die Tränen, es gab für sie nichts Schönes mehr auf dieser Erde, worüber sie sich hätte freuen können. Nichts machte mehr einen Sinn für sie, sie spürte nur noch den Schmerz der Trauer. Oft ging sie zum Grab ihres ungetauften Kindes in Eisenerz, betete für seine Aufnahme in den Himmel und weinte. Auch in der Christnacht besuchte sie in der Pfarrkirche St. Oswald die Mette und ging danach das Grab ihres Kindes besuchen. Schon bevor sie das Grab erreicht hatte, sah sie eine kleine Kindergestalt am Grab im Schnee sitzen. Es war ein wirkliches „Zartele“ und sehr erschöpft, denn bei sich hatte es einen für seine Kräfte viel zu großen Krug. Die Mutter kam näher und erkannte ihr Kind.
„Ach, Herzchen, der Krug ist ja viel zu schwer für dich“, sprach sie ganz verwundert.
„Ja, Mutter, und er wird immer schwerer, da du so viele Tränen weinst. Ich muss deine Tränen alle auffangen, in diesem Krug sammeln und mit mir tragen.“
„Dann will ich von nun an keine Träne mehr vergießen“, sagte die Mutter und streichelte ihm übers kleine Gesicht.
Nun zeigte sich auch die Perchtlmutter neben dem Kleinen, das sogleich verschwand. Die Perchtl aber sprach zur Mutter:
„Danke recht schön, dass du die arme Seele erlöst hast, nun hat sie einen Namen bekommen.“
Und schon war der Zug der Frau Percht mit ihrer Kinderschar weiter über den felsigen Pfaffenstein gezogen.
Auch einem Mitterndorfer ist einst die Percht begegnet. Seine Frau hatte gerade ein Kind geboren und sie hatten noch keinen Paten für ihr Kind. Da machte sich der Mann auf, einen Bekannten um diesen
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