Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
zogen größeren Geißen die Milch bis auf den letzten Tropfen aus den Eutern. Als Gegenmittel wurden die Zitzen der Milchtiere mit Menschenexkrementen bestrichen oder es wurde ein Doggistein aufgelegt. Das war ein kleiner, flacher Stein mit einem runden Löchlein in der Mitte. Solche Steine wurden in der Natur gesucht und aufbewahrt, und bei Bedarf molk man das geplagte Tier dann so, dass die Milch durch das Löchlein im Stein floss. Das half oft. Auch hängte man den Kindern und den Tieren einen Feuerstahl um den Hals, dann waren sie vor der Gewalt des Doggis sicher.
Eine Familie in der Sturnengasse in Bludenz hatte einst ein Wiegenkind, das schrie fürchterlich und bekam eine auffällige Brust. Da riet man der Mutter, eine Flachshechel auf die Brust des Kindes zu legen, die Zähne nach oben gerichtet. Am nächsten Tag kam das Danitscha Wieble und wollte etwas ausleihen – seine Hand war verbunden! Als das die Eltern sahen, wurde ihm die Bitte nicht erfüllt, so wie man es in diesen Fällen tun muss, und die Qual des Kindes hatte ein Ende.
Der alte Fritz in Brunnenfeld hatte einmal ein Kalb im Stall, das schrie den ganzen Tag erbärmlich und konnte nicht saufen. Es dauerte nicht lange und das Kalb lag tot im Stall. Nun aber begann ein zweites Kalb zu plärren und trank nicht mehr, und da ging die Bäuerin zu den Kapuzinern und holte geweihte Kräuter. Allen Tieren in Haus und Stall musste man davon geben, zuletzt dem erkrankten Kalb. Da ging es ihm schon gleich wieder besser, es konnte wieder saufen, hörte auf zu plärren und gedieh prächtig. Doch gingen ihm in einem handbreiten Streifen um den Leib herum die Haare aus und es war in seinem Äußeren noch sehr auffällig gezeichnet.
Oft schiebt das Doggi in der Gestalt einer Katze mit der rechten Vorderpfote ganz niedlich den Fensterläufer zurück und hüpft in das Schlafzimmer oder es windet sich als Strohhalm zum Schlüsselloch hinein. Ja, es wird berichtet, dass es sich selbst den Bauch aufschneidet und die Gedärme aus dem Leib haspelt, bis es ganz dünn geworden ist und sich durch jede Wandspalte zwängen kann.
Doch nicht immer geht es dabei für das Doggi gut aus. So fasste einer den Schrättlig gerade in dem Moment, als er sich als Strohhalm zum Schlüsselloch hereinwand, und nagelte ihn fest an die Zimmerwand. Als er morgens aufwachte, sah er keinen Strohhalm, sondern ein altes Weiblein an der Wand hängen, und das war der tote Schrättlig. Ein anderer fand die herausgehaspelten Gedärme des Doggis vor der Kammertür; er holte Harz und Sägemehl und mischte es darunter; als der Druckgeist sich wieder zurückverwandeln wollte, konnte er seine Bauchhöhle nicht mehr einpacken und starb schließlich.
Als Schutz vor dem Doggi soll man ein Messer in die Wand des Schlafzimmers stecken oder ein mit Harn verschlossenes Glas unter das Bett stellen. Hat man zufällig eine schwarze Henne im Stall und merkt, dass nachts der Schrättlig kommt, so kann man ihn auch von sich abwehren, indem man sagt:
„Geh, drück lieber meine schwarze Henne im Stall!“
Dann geht das Doggi in den Stall und drückt die schwarze Henne, die das allerdings mit ihrem Leben bezahlen muss.
Der alte Winkler im Montafon, der zu Lebzeiten ein baumstarker Mann war, erwartete eines Abends das Doggi und sagte zu seiner Frau:
„Heute lege dich bitte zum Ofen und halte ein Licht bereit, denn ich lege mich ins Bett und erwarte das Doggi. Kommt es, so packe ich es, und du eilst dann mit dem Licht herbei und wir werden sehen, wie das Ding ausschaut.“
Der Winkler legte sich ins Bett und seine Frau nahm wie ausgemacht die Ofenbank. Und wirklich kam nach einer Weile das Doggi und krabbelte vom Fußende hinauf bis zur Brust des Mannes. Der aber packte es geschwind mit beiden Händen und spürte, dass er zwei riesig große Zöpfe in den Händen hielt. Er rief seine Frau wie vereinbart, doch bis sie endlich mit dem Licht an seinem Bett war, war ihm das Doggi schon entwischt. Es huschte blitzschnell zur Tür hinaus und man sah nur noch, wie es seine zwei fliegenden Riesenzöpfe auf der eiligen Flucht um die Türpfosten schlug.
Der Stier im Sünser See
Im kleinen See der Alpe Süns haust der Sünser Stier. Er taucht aus der Flut auf, schwimmt ans Ufer und schreckt das Alpvieh, das dann in wilder Flucht davonstürmt. Dann hat der Kühbub einen harten Tag, bis er die versprengte Herde wieder eingesammelt hat, wenn nicht gar ein oder das andere Tier über die Felsen gestürzt ist. Einmal kamen
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