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Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Titel: Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Morscher , Berit Mrugalska
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die himmlische Seligkeit erwerben könnte. Der fromme Mann redete ihm derart ins Gewissen, dass sich der gefürchtete Zauberer freiwillig dem Pfleger in Moosham stellte, worauf er festgenommen und hingerichtet wurde. Im Zuge seiner Festnahme wurden 198 Personen, meist Jugendliche, angeklagt – es handelte sich um den größten Hexenprozess auf dem Boden des heutigen Österreich. 138 von ihnen endeten auf dem Scheiterhaufen, am Galgen oder unter dem eigens eingeführten Fallbeil. Der jüngste Hingerichtete war gerade einmal zehn Jahre alt. Fünf Menschen starben im Lauf des Verfahrens, 13 wurden des Landes verwiesen, elf Kinder kamen zu Pflegeeltern – lediglich 31 Personen wurden freigelassen. 1690 wurde der Prozess eingestellt. Die Obrigkeit im fürstlichen Erzbistum nützte die Gelegenheit, um Randgruppen der Gesellschaft – Bettler, Landstreicher, Behinderte – aus dem Weg zu räumen. Anschuldigungen gegen etablierte Bürger wurden dagegen nicht weiterverfolgt. Die umherziehenden Bettlergruppen waren verhasst und ihre „Zauberei“ diente als Erklärung für schlechtes Wetter, Missernten und Hungersnöte. Die „Kleine Eiszeit“ war damals auf ihrem Höhepunkt, die Durchschnittstemperaturen lagen drei bis vier Grad unter den heutigen Werten, auch dieses Klimaphänomen wurde auf Wetterhexerei zurückgeführt.
    Schab den Rüssel
    In Wien wurde vor langer Zeit eine besonders große Hochzeit gehalten, die ganz herrlich ausgerichtet und anzuschauen war. Allerlei Künstler und Musikanten trugen zur Unterhaltung bei, darunter auch Zauberer und Artisten. Bei diesem Trubel fanden sich auch die Bettelleute ein – und nicht gerade wenige. Unter diesen Bettlern befand sich auch einer, der das Betteln zu seinem Gewerbe gemacht hatte. Nur machte er an diesem Tag kein gutes Geschäft, zu sehr waren die Gäste mit sich selbst beschäftigt und wollten ja nichts von der Hochzeit verpassen. Das war natürlich gar nicht nach dem Geschmack des Bettlers und er wurde ärgerlich, denn so viel Geld wurde für das Fest ausgegeben und für ihn fiel nichts dabei ab. Er grummelte vor sich hin:
    „Ja, ist denn die ganze Stadt ein Armenhaus geworden? Der Teufel soll euch holen! Ha, lieber will ich den Teufel um ein Almosen bitten als euch Geizrachen und Hungerleider! Wie viele Gebete habe ich heute schon für euch gesprochen, wie viele Litaneien für das Brautpaar heruntergehaspelt, und nicht einer von euch hat mir etwas gegeben – noch nicht einmal konnte ich ein ‚Küss die Hand Euer Gnaden, vergelt’s Gott!‘ sprechen!“
    Wie nun der Bettler vor sich hin fluchte, da hinkte ein kleiner, schmaler Mann in einem grünen Samtanzug an ihm vorbei, der trug einen schwarzen spanischen Hut mit einer roten Feder und schaute sich ein wenig um nach dem Bettler. Dieser vergaß auf der Stelle seinen Vorsatz, niemanden mehr anzubetteln, als er das scharf blitzende Auge und die große, stark gebogene Adlernase des Vorbeigehenden sah.
    „Halt sofort dein Lügenmaul, du Lump! So bekommst du von mir nichts, außerdem weißt du nicht, wen du hier vor dir stehen hast, auch wenn du es eben noch gelobt hast!“
    Mit diesen Worten bog der Grünrock in eine kleine, dunkle Seitengasse ein, wo es ruhiger war und nicht so viele Menschen vorbeigingen. Der Bettler eilte ihm nach und hoffte auf einen Lohn, da der schmächtige Mann in die Tasche griff. Der zog aber nicht seine Geldbörse, sondern eine kleine, eiserne Raspel mit kurzem Holzstiel heraus und sprach:
    „Diese kleine Raspel wird deinen Geldsorgen ein Ende machen, wenn du meinen Rat annimmst. Streich dir mit der Raspel über deine Lippen und sag dabei: ‚Schab den Rüssel‘, und dir wird ein Goldstück aus dem Hals fallen. Doch weil es im Leben nichts geschenkt gibt, will auch ich etwas dafür verlangen.“
    „Euer Wort sei mir Befehl!“, rief der Bettler vor Freude zitternd und konnte die Augen nicht von dieser ungewöhnlichen Raspel lassen.
    „Deine Bettlerei mit den Gebeten muss ein Ende haben, auch darfst du in keine Kirche gehen und nicht heiraten, und nach sieben Jahren gehört deine Seele mir. Wenn dich in dieser Zeit jemand beleidigt oder dir etwas nachsagt oder wenn ein Richter dich ungünstig verurteilt, dann hole nur diese Raspel aus der Tasche und sprich, ohne sie an deine Lippen zu bringen: ‚Schab den Rüssel‘. Dann wird die Raspel nicht deine Lippen schaben, sondern das Maul, welches schlecht über dich gesprochen hat. Und glaube mir, sie werden nie wieder über dich

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