Die Schokoladendiät
frage ich sie. «Mit dem könnten wir anschließend direkt vor der Kapelle vorfahren, da gewinnen wir sogar ein bisschen Zeit.»
«Wir machen die Drogenübergabe ohnehin schon im kompletten Hochzeitsstaat», ruft Chantal uns in Erinnerung. «Da sollten wir mit dieser Karre nicht noch zusätzliche Aufmerksamkeit auf uns lenken.»
«Stimmt. Guter Gedanke.» Ich spitze die Lippen. Wir schweigen alle. «Aber eine andere Option bleibt uns eigentlich nicht.»
Seufzend betrachten wir den Bentley. Schließlich sagt Nadia: «Sieht so aus, als müssten wir uns die Schlüssel für den Hochzeitswagen besorgen.»
«Wartet hier auf mich.» Ich raffe den Rocksaum hoch. «Ich bin in fünf Minuten zurück.»
So schnell das in meinen Seidenpumps möglich ist, renne ich die Treppe zum Empfang hoch. Schon jetzt außer Atem – ich muss mehr Aerobic machen – keuche ich: «Könnten Sie bitte für mich auf Mr. Lombards Zimmer anrufen?»
Die Rezeptionistin, die nicht begreift, dass hier jede Sekunde zählt, schaut ganz gemächlich die Zimmernummer nach und greift dann ebenso gelassen zum Hörer. Es folgt eine unendlich lange Wartezeit. Ich klopfe ungeduldig mit dem Fuß und würde am liebsten die Blumen meines Buketts zerkauen.
«Es nimmt keiner ab», erklärt sie nach einer Weile.
«Er muss aber da sein», entgegne ich. Wo zum Teufel sollte er sonst wohl stecken? Schließlich heirate ich heute. Mein Dad wird mich zum Altar führen. Im Moment sollte er gerade damit beschäftigt sein, sich in Schale zu werfen.
«Vielleicht möchten Sie es in unserer Wellness-Oase versuchen», schlägt die Rezeptionistin vor.
In der Wellness-Oase, so ein Quatsch. Der hat sich garantiert mit
Der Friseuse
in seiner Honeymoon-Suite verbarrikadiert, spielt Hoppe Hoppe Reiter und hat keine Zeit, das Telefon abzunehmen.
Ich rase zum Lift und springe nervös auf und ab, während ich darauf warte, dass er endlich kommt. Als ich schließlich drinnen stehe, versuche ich, mich mit angenehmen Gedanken abzulenken und die Berieselungsmusik aus den Lautsprechern zu genießen. Bloß nicht denken, dass ich meinen Vater umbringen möchte. Nein, ruhig Blut, ich will meinen Vater nicht umbringen.
Als ich die Honeymoon-Suite gefunden habe, hämmere ich an die Tür. «Dad. Dad! Mach auf. Ich muss mit dir reden.» Stille. Ich möchte nicht das Ohr an die Tür legen und dann Dinge hören, die ich lieber nicht mitbekommen will. Ich weiß, dass mein Dad und seine Frau es erschreckend regelmäßig miteinander treiben – gestern beim Dinner konnten sie ja auch kaum die Hände voneinander lassen –, aber dieses Wissen muss ich nicht noch weiter vertiefen. Wieder hämmere ich an die Tür. «Dad.
Dad!»
Die Tür geht auf, und mein Vater steht vor mir, mit nichts als einem Handtuch bekleidet. Einem sehr kleinen Handtuch übrigens. Sein Haar ist verstrubbelt und sein Gesicht rot angelaufen. Aber vollkommen eindeutig wird die Situation durch
Die Friseuse
, die mit gespreizten Beinen hinter ihm auf dem Bett liegt. «Wo brennt’s denn?», fragt er mit einem Lächeln, das seine Verstimmung über diesen Koitus interruptus nicht ganz kaschieren kann.
«In deiner Unterhose», wäre wohl eine gute Erwiderung, aber das hier
ist
nun mal mein Dad. «Ich müsste mir mal kurz dein Auto leihen», presche ich vor.
Sein rotes Gesicht wird etwas blasser. «Den Bentley?»
«Genau den.»
«Warum denn das?»
«Es gibt da noch so eine Kleinigkeit zu erledigen.»
«Aber du heiratest doch gleich», erinnert er mich überflüssigerweise.
«Klar doch», sage ich. «Und ich bin auch schon startklar.» Ich zeige auf mein Brautkleid. «Aber ich hab da etwas vergessen, was ich noch besorgen muss. Eigentlich eine ganz unbedeutende Sache. Es dauert auch nicht lange.»
«Der Bentley ist mein ganzer Stolz», murmelt mein Dad matt.
«Und ich bin deine Tochter, und heute ist mein Hochzeitstag», entgegne ich. «Ich bitte dich fast nie um etwas.»
Mein Dad sieht beschämt aus, rührt sich aber nicht.
«War ich nicht immer eine gute Tochter?»
Tränen treten ihm in die Augen. «Du warst eine wundervolle Tochter.»
«Dann gib mir den Autoschlüssel.»
Mit einem verdrossenen Seufzer kehrt er der Tür den Rücken und kommt dann mit dem Schlüsselbund zurück, den er mir äußerst widerstrebend reicht. Ich küsse ihn auf die Wange. «Ich hab dich lieb», sage ich, schlenkere den Schlüsselbund um den Finger und renne zum Lift zurück. «Jetzt kannst du weitervögeln», rufe ich ihm über die
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