Die Schokoladendiät
inmitten zweier Fabrikgebäude, das wie ein großer Hof mit einem einzigen Eingang wirkt. Als Drogendealer würde mir dieser Ort auch wie der perfekte Treffpunktvorkommen, da sich hier garantiert nie ein Augenzeuge her verirrt.
«Dann also los», presse ich heraus, hole tief Luft und biege mit dem Bentley auf den holprigen Platz ein.
«Wir sollen ganz hinten halten», erklärt Autumn. «Mit der Kühlerhaube zum Eingang.»
Ich tue wie geheißen, und wir nehmen die vorgeschriebene Position ein. «Wo sollst du die Tasche abwerfen?»
«Wir müssen hier warten, bis sie kommen.»
Wir fahren herum und starren Autumn an. «Die kommen
hierher? Jetzt?»
Sie wirkt überrascht. «Ja. Ich dachte, das wüsstet ihr.»
«Ich war davon ausgegangen, wir würden die Tasche einfach hier rauswerfen und sofort wieder abhauen», sage ich. «Und dann würden sie kommen und das Ding einsammeln.»
«So läuft das wohl nicht», antwortet Autumn nervös. «Die müssen wahrscheinlich erst überprüfen, ob alles seine Ordnung hat.»
«Du willst wohl sagen, die müssen erst mal den Stoff checken», verbessert Nadia sie.
Für ein Beinahmitglied der kriminellen Fraktion fehlt es Autumn ein bisschen an coolem Slang-Vokabular. Sie redet noch immer wie die optimistische, rothaarige Sozialarbeiterin, die sie ist. Meine Güte.
«Teufel nochmal!», fluche ich und schaue auf die Uhr im Bentley. «Hoffentlich sind das pünktliche Verbrecher, denn allmählich wird die Zeit ein bisschen knapp.» Ich würde gerne schleunigst nach Trington Manor zurückkehren, um mich vielleicht sogar noch ein bisschen auszuruhen und ein wirklich allerletztes Häppchen Schokolade vor der Ehe zu genießen.
«Das wird schon klappen», sagt Nadia. «Bestimmt.» Aber trotz der beruhigenden Worte bebt ihre Stimme.
«Ich hab ein paar Rolos in der Tasche», bietet Autumn an. «Für den Notfall.»
«Ich denke, das hier könnte durchaus als Notfall durchgehen.»
«Aber esst nicht zu viel, sonst platzen wir nachher noch beim Büfett», mahnt Nadia.
«Das Risiko gehe ich ein.» Autumn wühlt in der Tasche mit den Drogen nach den Rolos und reicht sie dann herum. Als ich mir meines vorsichtig in den Mund stecke, um mein Kleid nicht zu versauen, sage ich seufzend: «Das hier ist vielleicht wirklich meine letzte Schokolade vor der Ehe.»
Ich lehne mich im Autositz zurück. Jetzt können wir nur noch warten.
66
Als wir uns angespannt durch die ganze Rolle Rolos hindurchgefuttert haben, fährt ein großer, schwarzer Wagen mit dunkelgetönten Scheiben auf das verlassene Grundstück ein. Er holpert über Unkraut, Dreck und zerborstene Betontrümmer auf uns zu und wirbelt dabei eine riesige Staubwolke auf.
Unruhig schlucke ich den letzten sahnigen Rest meines Rolos herunter. «Okay, Leute, jetzt ist Showtime.»
Autumn ist auf dem Rücksitz vor Angst erbleicht.
Da klingelt schon ihr Handy, und sie geht mit zitternden Händen dran. Wir hören eine leise Stimme aus der Hörmuschel, können aber kein Wort verstehen.
«Okay», antwortet sie verschreckt. Dann legt sie auf. «Ich soll allein rauskommen und mit der Tasche am ausgestreckten Arm auf sie zugehen.»
«Nichts da», entfährt es mir. Manchmal wundere ich mich selbst über meine Anfälle von Tapferkeit. «Wir sind nicht bis hierher mitgekommen, damit du jetzt allein in die Höhle des Löwen gehst. Ich begleite dich.»
Dann sehe ich aus dem Wagen hinter uns zwei Männer aussteigen. Zu meinem Schreck sind sie mit abgesägten Schrotflinten bewaffnet.
«Scheiße», sagt Chantal.
«Riesenscheiße», gebe ich zurück.
«Ich kann mich nicht bewegen», piepst Autumn.
«O doch, das kannst du. Auf geht’s.» Schon bin ich ausgestiegen, mache die hintere Tür auf und helfe Autumn aus dem Wagen. «Gib mir meinen Brautstrauß», bitte ich Chantal.
«Wie bitte?»
«Meinen Brautstrauß.» Ich strecke die Hand aus, und Chantal gehorcht. «Ich hoffe, das hilft. Man fängt keine Prügelei mit einem Brillenträger an, und eine Braut mit Brautstrauß erschießt man nicht.»
Autumn hebt die Tasche aus dem Fußraum des Bentleys und hält sie vor sich. Wir wechseln einen aufgeregten Blick. «Immer mit der Ruhe», beschwichtige ich. «Ich will keine Blutflecken auf meinen Hochzeitsfotos.» Obwohl mir inzwischen klar ist, dass ich wie ein Berserker fahren muss, um vor der Trauung noch irgendwelche Fotoaufnahmen machen zu können. Die Hoffnung, noch mit einem kleinen Schokoladensortiment und ein oder zwei Gläschen Wein zu relaxen, habe
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