Die Schokoladendiät
eigenen Hochzeit zu tragen.
«Als du dann zu spät kamst», fährt meine Mutter fort, «hat er plötzlich laut erklärt, er packe das einfach nicht, und ist wieder gegangen.»
«Der Wichser!»
Sie versucht, meine Hand zu ergreifen. «Reg dich nicht auf, Lucy.»
«Ich reg mich nicht auf», schreie ich und reiße ihr meine Hand weg. «Ich bin
außer mir vor Wut.
Konnte er nicht mal zwanzig Minuten auf mich warten? Wir sollten den Rest unseres Lebens miteinander verbringen, und er konnte nicht mal zwanzig verdammte Minuten warten!» Ich zeige mit einer umfassenden Geste auf die prachtvoll geschmückte Kapelle: «Das alles – und ihm reißt einfach der Geduldsfaden?»
«Wie konnte er uns das nur antun», schluchzt Mum. «Ich kann es einfach nicht glauben.»
Unglückseligerweise kann ich es in einem finsteren Teil meines Herzens sehr wohl glauben. O ja, Marcus ist durchaus zu so etwas fähig.
Meine Mum verschwindet im Hintergrund, und plötzlich bin ich von meinen Brautjungfern umringt. Keine von uns sagt etwas, und wir halten uns einfach nur umarmt.
«Verdammt», bricht es schließlich aus Chantal heraus. «Was für ein Tag.»
Jetzt heule ich hemmungslos, aber gleichzeitig spüre ich, wie sich auf meinem Gesicht langsam ein Lächeln ausbreitet. Ein halb ersticktes Kichern gluckst in meiner Kehle. Die anderen fallen ein. «Dieses Arschloch», flucheich unter Tränen. «Wie konnte er mich einfach so im Stich lassen.»
Autumn schlingt die Arme um mich. «Das ist alles nur meine Schuld», sagt sie unglücklich. «Ich fühle mich schrecklich.»
«Unsinn», entgegne ich energisch. «Das hat doch mit dir nichts zu tun. Meine Güte, ich hätte irgendeine Kleiderpanne haben können, irgendwas mit dem BH oder den Schuhen oder dem Haar – was auch immer –, dann wäre ich auch zwanzig Minuten zu spät gekommen. Der Grund dafür spielt doch überhaupt keine Rolle.» Auch wenn mir bewusst ist, dass wir von Glück sagen können, jetzt nicht im Knast zu sitzen und uns auf Porridge zum Frühstück freuen zu müssen. «Wenn Marcus seine Meinung derart schnell ändert, hat er mich ohnehin nicht verdient.»
«So ist es recht», lobt mich Nadia. «Das ist die richtige Einstellung. Und jetzt musst du dich nur noch den ganzen Gästen hier stellen. Wir helfen dir da durch. Aber du lass dir ja nichts anmerken, weinen kannst du später noch.»
Ich wische mir mit dem Handrücken die Augen trocken. «Ich werde den Leuten hier nicht wegen Marcus etwas vorheulen», sage ich ruhig. «Die Hochzeit läuft weiter wie geplant», wieder lache ich zugegebenermaßen ein bisschen hysterisch. «Den Teil in der Kapelle überspringen wir eben.»
Die Mädels sehen mich verwirrt an.
«Bist du dir da ganz sicher?», fragt Nadia. «Keiner erwartet von dir, dass du hier die Stellung hältst. Wir können uns auch unauffällig an einen stillen Ort zurückziehen.»
«Im Hotel steht ein riesiger Schokoladenbrunnen für uns bereit», erinnere ich sie und zeige in die Richtung, wo der Empfang stattfinden soll. «Den werde ich mir auf gar keinenFall entgehen lassen.» Im Gegenteil, ich habe vor, mich ihm bis zum Abwinken hinzugeben. «Ich möchte, dass alle kommen. Jeder Einzelne. Sogar der ganze Haufen von Marcus’ Seite.» Der macht sowieso den Großteil der Gäste aus. Im Moment versuchen sie, sich unauffällig aus den Kirchenbänken zu stehlen. Ich nehme ihnen das, was passiert ist, nicht übel. Marcus mag zwar mit ihnen verwandt sein, aber ich bin mir verdammt sicher, dass gerade keiner von ihnen besonders gut auf ihn zu sprechen ist.
«Einige dieser Leute sind von weit her angereist, und bestimmt haben sich ein paar von ihnen extra neue Kleider gekauft.» Einen Moment lang koche ich vor Wut, dass Marcus ihnen das antut. Dass er
mir
das antut! Ich wäre für diesen Mann durchs Feuer gegangen, und das ist sein Dank.
Ich zwinge mich wieder, mich auf die konkreten Aspekte der Krise zu konzentrieren, und sage: «Sie sollen nicht hungrig nach Hause gehen.» Oben im Manor House erwarten uns Berge von Essen, und das Hotel wird Marcus bestimmt nichts zurückzahlen. Sollten sich seine Verwandten allerdings allzu gierig über den Schokoladenbrunnen hermachen, bekommen sie Ärger mit mir.
Ich fasse Chantal und Nadia bei den Händen. «Ihr müsst rausgehen und es den Leuten sagen. Der Rest meiner Hochzeitsfeier verläuft von jetzt an wie geplant. Wir werden ein großartiges Fest feiern. Auf Marcus’ Kosten. Schade nur, dass er es selbst nicht genießen
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