Die Schokoladendiät
«Das war aber haarscharf.»
«Unglaublich», schüttle ich den Kopf. «Was für ein Glück, dass wir nicht aufgeflogen sind.» Sehen Sie, wie schnell sich mein Wortschatz der kriminellen Situation angepasst hat? «Woher die nur wussten, dass der Deal hier steigen sollte?» Jetzt klinge ich schon wie ein richtig hartgesottener Bursche.
Autumn hüstelt, und wir drehen uns zu ihr um. Das heißt, ich starre sie im Rückspiegel an. «Ich hab die Polizei informiert», erklärt sie leise.
«Was?», entfährt es mir weniger leise.
«Ich hatte keine Ahnung, dass Geld im Spiel war», setzt sie an. «Rich hat mir einfach nur gesagt, dass wir das Zeug abliefern müssen. Ich habe nicht für möglich gehalten, dass man uns in irgendeiner Weise beschuldigen könnte.»
«Das war aber sehr riskant, wenn du mir diese Bemerkung gestattest.» Ich halte das Steuerrad fest umklammert und rase zum Motorway, so schnell der Bentley es hergibt. «Ich hätte meinen Hochzeitstag in einer Gefängniszelle zubringen können.»
«Ich weiß», murmelt Autumn schuldbewusst. «Es tut mir leid.»
«Und wie die Dinge jetzt stehen, werde ich mich grauenhaft verspäten.»
«Nicht, wenn du voll aufs Gas steigst», überlegt Chantal laut, und ich beschleunige noch ein bisschen mehr.
«Aber pass auf, dass sie dich nicht noch wegen Geschwindigkeitsüberschreitung verknacken. Wir haben heute schon genug von den Jungs in Uniform gesehen.»
«Ich muss Marcus anrufen», durchfährt es mich. «Ihm sagen, dass wir uns wahrscheinlich verspäten.»
«Das mache ich.» Chantal nimmt mein Handy von der Ablage. «Sie sollen dich genauso wenig wegen Handybenutzung am Steuer verknacken.»
«Plötzlich machen sich alle Sorgen, ich könnte mit der Polizei in Konflikt geraten. Hätte euch das nicht schon etwas früher einfallen können?», zetere ich.
Wir kichern los wie blöde.
«Wie furchtbar», fällt es mir dann ein. «Autumn, wir haben hier eine ganze Sporttasche voll schmutzigem Geld. Was hast du damit vor?»
«Rein theoretisch gehört es Richard. Ich sollte es ihm geben.»
«Ich finde eigentlich nicht, dass er das verdient hat», bemerkt Chantal.
«Da hast du recht», stimmt Autumn zu. «Nachdem er uns derart in Gefahr gebracht hat, ist er mir eigentlich etwas schuldig. Vielleicht sollte ich es ja für einen guten Zweck spenden.»
«Was hältst du von dem Drogenrehabilitationsprogramm», schlägt Nadia vor. «Das hätte etwas von ausgleichender Gerechtigkeit.»
«Gute Idee.»
Chantal sucht Marcus’ Telefonnummer, wählt und hält mein Handy an ihr Ohr. «Nur die Mailbox», sagt sie. «Soll ich eine Nachricht aufsprechen?»
«Vielleicht besser nicht», erwidere ich. «Er rechnet bestimmt sowieso nicht damit, dass ich pünktlich komme.Ist es nicht das Vorrecht einer Braut, sich grauenhaft zu verspäten?»
Wir sind inzwischen auf dem Motorway und rasen wie die Irren. Die Rückfahrt wird jetzt nicht mehr lange dauern, vorausgesetzt, wir haben nicht wieder eine Panne.
Die schoko- und cremefarbenen Bänder flattern wild im Wind, und Celine jodelt noch immer vor sich hin.
«Marcus wird das schon verstehen», versichere ich der Runde. Ich beiße die Zähne zusammen, trete das Gaspedal durch und hoffe bei Gott, dass ich mich nicht irre.
69
«Zwanzig
Minuten», sage ich mit einem Blick auf die Uhr. «Zwanzig Minuten Verspätung ist doch gar nicht so schlimm, oder?»
Meine Brautjungfern sehen mich nervös an. Nachdem wir in der Auffahrt zum Hotel noch ein paar weitere Blumenbeete auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten haben, drossle ich jetzt das halsbrecherische Tempo und fahre langsam in Richtung Kapelle. Und auch wenn es ungewöhnlich sein mag, dass eine Braut ihren Hochzeitswagen selbst kutschiert, wirkt sonst alles ganz so, wie es sich gehört. Selbst meine Frisur hat das Abenteuer unbeschadet überstanden.
Die Kapelle sieht aus wie auf einer Postkarte. Sie liegt auf dem Grundstück des Gutshotels und reicht bis ins Jahr X zurück. Mittelalter, würde ich sagen. Die Backsteinmauern sind romantisch verwildert, und über den makellosen Rasen schlängelt sich ein schmaler Kiesweg auf die Kapelle zu. Eigens für mich ist die Tür mit einem Kranz strahlend weißer Rosen eingefasst. Dies ist der perfekte Ort für eine märchenhafte Hochzeit. Und es wird meine Hochzeit sein. Mein Herz beginnt laut und unregelmäßig zu pochen.
Ich entdecke den Fotografen am Eingang der Kapelle – und außerdem erstaunlich viele Gäste. Vielleicht wollen sieein paar
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