Die Schokoladendiät
SMS bekommen habe. Von Marcus. Mit der knappen Botschaft: ENTSCHULDIGUNG .
«Schau mal, Marcus hat sich gemeldet», sage ich zu Jacob und reiche ihm das Handy.
Er liest die Nachricht. «Der Trottel», macht er sich Luft. «Wo mag er jetzt wohl stecken?»
«Bestimmt nicht weit von hier.» Dann kommt mir plötzlich ein Gedanke. Ich nehme die Serviette vom Schoß und lege sie auf den Tisch. «Entschuldige mich einen Augenblick, Jacob», sage ich. «Ich bin gleich zurück.»
72
Ich weiß gar nicht, warum mir das nicht schon früher eingefallen ist. Erst als Jacob mich fragte, wo Marcus wohl stecken könnte, war mir der Gedanke gekommen, dass er sich vielleicht einfach auf sein Hotelzimmer geflüchtet haben könnte. Ich fahre mit dem Aufzug in den vierten Stock und klopfe an seiner Zimmertür an.
«Ja, bitte?» Tatsächlich antwortet mir von drinnen Marcus’ Stimme.
«Ich bin’s», rufe ich. «Kann ich reinkommen?»
Einen Moment lang herrscht Stille, und dann öffnet Marcus die Tür. Seine Augen sind rot und verheult. «Mein Gott», sagt er mit erstickter Stimme, «du siehst phantastisch aus.»
Da wird mir klar, dass er mich ja noch nie in meinem Brautkleid gesehen hat. «Danke.»
Er tritt zur Seite, und ich gehe auf meinen wunderschönen Seidenpumps an ihm vorbei. Marcus trägt noch immer seinen Anzug, hat aber Krawatte und Frack abgelegt und aufs Bett geworfen. Dort liegt auch sein Koffer.
Marcus mustert mich aufmerksam, und wieder füllen seine Augen sich mit Tränen. «Diesmal habe ich es wirklich ganz schön vermasselt.»
«Ja», pflichte ich ihm bei. «Das stimmt.»
Er rauft sich das Haar. «Wie konnte ich nur?»
Ich setze mich neben Marcus’ Koffer auf die Bettkante. «Diese Frage stellen sich auch viele von unseren Gästen.»
«Ach, Lucy, Lucy», jammert er. «Wie weh habe ich dir diesmal getan?»
«Ziemlich weh», antworte ich.
«Das wirst du mir niemals verzeihen, oder?»
«Ach Marcus», sage ich mit einem Seufzer. «Ich hab dir doch immer verziehen und halte andauernd eine Liste von Entschuldigungen für all deine Fehltritte parat …»
«Aber diesmal nicht?»
«Diesmal könnte man sagen, dass es mir schon ein bisschen schwerfällt.»
«Ich bin in Panik geraten», gibt Marcus zu.
«Beim Gedanken, den Rest deines Lebens mit mir zu verbringen?»
«Nein, nein, das nicht.» Er fährt sich mit den Händen übers Gesicht. «Mein Gott, ich habe sie da alle stehen sehen, wie sie gewartet und gewartet haben. Sie waren alle so voller Zuversicht und Vorfreude, was diesen folgenschweren Schritt anging. Und da hat mich der Mut verlassen. Ich konnte einfach nicht, Lucy. Es war der Gedanke, dass es uns zum Schluss vielleicht so geht wie unseren Eltern oder all diesen Geschiedenen bei mir im Büro. Und von den Leuten in der Kirche war doch auch schon jeder Zweite mindestens einmal geschieden. Plötzlich habe ich mir nicht mehr zugetraut, ein guter Ehemann zu sein. Das alles war einfach zu viel.»
«Du hättest vor der Kirche auf mich warten können, damit wir in Ruhe darüber reden», bemerke ich leise. Er lässt den Kopf hängen. «Das wäre reif und vernünftig gewesen.»
«Ja.» Marcus kommt gar nicht auf den Gedanken, dassauch ich meine Zweifel und Unsicherheiten gehabt haben könnte. Wäre nicht die Drogenübergabe dazwischengekommen, hätte ich vielleicht auch noch einmal genauer darüber nachgedacht, ob ich Marcus wirklich und wahrhaftig mein Jawort geben will.
Marcus kniet sich zu meinen Füßen nieder. «Das kann ich nie wiedergutmachen.»
«Ja, da hast du wohl recht», erkläre ich fest.
«Ich liebe dich.» Seine Miene ist düster. «Es liegt nicht daran, dass ich dich nicht liebe. Glaub das nicht.
Bitte
glaub das nicht.»
«Wenn du mich wirklich liebst, Marcus, übernimmst du die Rechnungen für das heutige Fiasko und lässt mich mit meinem Leben allein weitermachen.»
«Das ist das Mindeste», erwidert er. «Das mit den Rechnungen, meine ich. Aber du … wie kann ich dich zurückbekommen? Ich möchte mein Leben nicht ohne dich zubringen.» Er fährt mir mit den Händen über die Beine und umschmeichelt den seidig glatten Stoff meines Kleides. «Sag mir, was ich tun soll.»
«Hör mal.» Ich atme mit einem tiefen Seufzer aus. «Da unten steigt im Moment gerade eine großartige Party. Und zwar auf deine Kosten. Komm und feiere mit.»
«Das kann ich nicht.»
«Keiner wird dir Vorwürfe machen.» Na ja, höchstens Mutter. «Sie werden darüber hinwegkommen. Du kannst dich doch
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