Die Schokoladendiät
ihren Füßen das Knirschen von Glasscherben – jemand hatte die Glühbirnen zerstört. Der Angreifer packte noch fester zu, und ihr Handgelenk brannte. Dann spürte sie kalten Stahl an der Kehle.
«Sag deinem kleinen Bruder, wir wollen unser Zeug zurück», raunte eine barsche Stimme direkt an ihrem Ohr. Autumn roch Whisky und teures Aftershave und erkannte den starken East-End-Akzent. Der Typ war groß und untersetzt, und sie spürte das Leder seiner Jacke an ihrer Haut. «Wenn nicht, müssen wir zurückkommen und zu Ende bringen, was wir angefangen haben. Verstanden?»
Autumn brachte kein Wort heraus. Sie versuchte zu nicken, doch sie konnte sich nicht rühren.
Das Messer schnitt ihr in die Kehle, und sie spürte ein warmes Rinnsal Blut über ihren Hals laufen.
«Hast du das verstanden?»
«Ja», quetschte sie heraus.
«Nimm das Handy hier und gib’s ihm», befahl der Mann. «Sag ihm, wir melden uns.» Er löste den Griff und stieß sie von sich weg. Autumn wirbelte herum, als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte, doch sie konnte nur noch eine dunkle Gestalt erkennen, die auf der Straße weglief. Sie musste trocken würgen und tastete nach dem Blut an ihrem Hals. Was hatte er damit gemeint, sie würden zu Ende bringen, was sie angefangen hatten? War das eine Drohung gegen Richard, oder galt sie ihr?
Auf wackligen Beinen ging Autumn hinauf in ihre Wohnung. Wie es schien, konnte weder die Polizei noch sie Richard vor diesen Schlägern schützen.
42
Gegen
Mitternacht hatte Nadia den mittleren Abschnitt des Strip erreicht. Es war jetzt noch belebter als tagsüber. Sie hatte sich die spektakuläre Wasser-und-Licht-Performance des Bellagio Hotels angesehen und vor dem Mirage zugeschaut, wie ein bunter Vulkan dreißig Meter hohe Flammen in die Luft schleuderte – ein Ereignis, das die ganze Nacht hindurch alle fünfzehn Minuten wiederholt wurde. Sie hatte im ersten Stock des Hotel Venetian den Gondolieri zugehört, die in gestreiften Pullovern auf dem Canal Grande entlangschipperten und «O Sole Mio» sangen. Und sie hatte den kornblumenblauen Himmel mit seinen flauschigen, computergesteuert dahineilenden Wolken betrachtet. Nur die Kühle der Klimaanlage hatte daran erinnert, dass das alles eine hübsche Sinnestäuschung war.
Die ganze Stadt war absolut unwirklich. Diese witzigen Fassaden versuchten nach außen einen fröhlichen und familienfreundlichen Schein aufrechtzuerhalten, während sich doch in Wirklichkeit dahinter ein Ort verbarg, der großes Leid heraufbeschwor, Familien zerstörte und Vermögen auffraß.
Die Gehwege draußen waren von der Hitze des Tages noch aufgeladen, und Nadias Beine waren dick geschwollen.Sie hatte die Knöchel eines Babyelefanten, und ihre Schritte wurden immer langsamer und schmerzender. Ihre Finger waren zu formlosen Würstchen angequollen. Das Viertel hier hatte etwas Anrüchiges, die Hotels lagen weiter auseinander und die Polizei patrouillierte die Straßen entlang. Als sie weiter nach Norden kam, brachen kleinere Geplänkel aus – wahrscheinlich von unglücklichen Spielern, die jetzt ihr unbesonnenes Handeln bereuten. Spärlich bekleidete Prostituierte warteten auf Kundschaft, und alle fünf Minuten wurde Nadia ein Flyer für irgendeinen miesen Nachtclub in die Hand gedrückt.
Sie fand es unvorstellbar, dass die Regierung zu Hause plante, ganz Großbritannien mit einem Netz von Kasinos zu überziehen und damit das ganze Elend an Britanniens Küsten zu importieren. Hatten die denn einen blassen Schimmer davon, wie es hier in Wirklichkeit aussah? Betrunkene Herrenrunden bevölkerten die Straßen, und gut zwei Dutzend betrunkene Männer in Elvis-Masken taumelten an ihr vorbei und grölten mit irischem Akzent: «Here we go!»
Nadias Handy klingelte. Vielleicht war das Toby. Er hatte auf ihre Anrufe bisher nicht reagiert, doch vielleicht hatte er sich erweichen lassen und versuchte jetzt, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Auf dem Boden vor ihr lag ein ohnmächtiger Betrunkener, die Schnapsflasche dürftig in einer eingerollten Zeitung versteckt. Sie setzte sich auf eine niedrige Mauer, um ihr Handy aus der Handtasche zu wühlen. Ihr Herz sank, als sie auf dem Display sah, dass es nicht ihr Mann war. Es war eine SMS von Lucy. Sie entlockte Nadia trotzdem ein müdes Lächeln. Obwohl es zu Hause mitten in der Nacht war, dachte ihre Freundin an sie. Die Nachricht lautete: HAST DU SCHON ETWAS HERAUSGEFUNDEN?Sie schrieb zurück: NOCH NICHT. Lucy antwortete: PASS AUF DICH
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