Die Schokoladendiät
Kleid einer Frau so viel Eleganz und Raffinesseverleihen kann, wenn diese genau das bisher so gründlich vermissen ließ wie ich.
«Das nehmen wir», beschließt Jacob.
Dann werfe ich einen Blick auf das Preisschildchen und schnappe zum zweiten Mal nach Luft. «So viel Geld für ein Brautkleid, das ist nicht drin!»
«Zähne zusammenbeißen und Kreditkarte voll ausreizen», weist Chantal mich an.
«Unmöglich.»
«Marcus wird hingerissen sein», sagt Nadia und schluckt ihre Tränen herunter.
«Wenn ich das hier nehme, müssen wir eure Brautjungfernkleider beim Großmarkt besorgen. Dann kriegt ihr irgendwas Billiges in Limonengrün.»
«Mach dir um den Preis keine Sorgen», sagt Jacob. Er weicht meinem Blick aus, und auf seinen Wangen prangen plötzlich zwei rosa Flecken. So sieht er wirklich süß aus. «Es ist mein Hochzeitsgeschenk für dich.»
«Sei doch nicht albern.»
«Du bist für mich ein ganz besonderer Mensch, Lucy», flüstert er. «Bitte nimm es an.»
«Das kannst du nicht machen, Jacob. Das ist viel zu viel.» Mit einem flehenden Blick bitte ich meine Freundinnen um Beistand. «Das könnte ich unmöglich annehmen.»
Chantal gibt mir mit einem Nicken zu verstehen, dass ich doch einfach ja sagen soll. Offensichtlich ist sie der Meinung, dass Jacob sich das leisten kann. Ich habe keine Ahnung, was sein Service kostet, aber vielleicht ist sein neuer Beruf ja sogar noch lukrativer als sein alter.
«Und ich übernehme die Kosten für die Brautjungfernkleider», sagt Autumn. «Aber nur, wenn die Farbe sich nicht mit meinem Haar beißt.»
Jetzt muss ich auch anfangen zu heulen. Nadia greift ebenfalls wieder nach einem Papiertaschentuch und reicht mir auch gleich eins. Meine Freundinnen kommen alle und umarmen mich. Sogar Jacob schließt sich an.
«Danke», schluchze ich dankbar.
Alle sind so gut zu mir. Vielleicht wird mein Hochzeitstag ja trotz meiner nagenden Zweifel doch noch der schönste Tag meines Lebens.
50
Tobys
Familie war katholisch, und der Trauergottesdienst sollte in ihrer örtlichen Kirche stattfinden. Nadia wusste, dass sie das trösten würde. Sie fand den Anblick von Tobys weinender Mutter ohnehin schon schwer genug zu ertragen. In dem Blick ihrer Schwiegermutter lag kein Vorwurf, doch Nadia hatte das Gefühl, es würde ihr irgendwie besser gehen, wenn dem so wäre. Tobys Mutter betrachtete den Selbstmord ihres Sohnes als größte Sünde. Nadia sah die eigentliche Sünde darin, dass er seinen Sohn in so einem zarten Alter allein gelassen hatte.
Hatte Toby das Geländer auf dem Stratosphere Tower mit Absicht losgelassen, oder wollte er zu ihr zurückklettern? Einen ganz kurzen Augenblick lang hatte sie dort oben das Gefühl gehabt, wieder mit dem alten Toby verbunden zu sein. Vielleicht war das aber auch nur eine aus der Hoffnung geborene Phantasie. Sie würde es nie mit Sicherheit wissen.
Wie sähe ihr Leben jetzt aus, wenn Toby über das Geländer geklettert und zurück in ihre Arme gekommen wäre? Sie würde mit ihrem spielsüchtigen Mann auf einem Berg von Schulden sitzen und auf eine unsichere Zukunft blicken. Würde sie ihn hassen, oder könnte sie noch an ihrerLiebe zu ihm festhalten? Eine Frage, die sich nicht einfach beantworten ließ. Der Strudel aus widerstreitenden Gefühlen wollte nicht zur Ruhe kommen. Selbst ihr täglicher Cocktail aus Beruhigungsmitteln half kaum.
Der Gottesdienst war ihr vollkommen fremd. Überall waren Blumen, und obwohl das vollkommen fehl am Platz schien, dachte Nadia darüber nach, wie sich so eine aufwendige Beerdigung auf ihre finanzielle Lage auswirkte. Es wurden Gebete gesprochen, die sie nicht aufsagen konnte, und Lieder gesungen, deren Verse sie nicht kannte und die ihr nichts bedeuteten. Nadia folgte all dem Aufstehen und Hinknien mit roboterhaften Bewegungen. Sie hatte das Gefühl, das Ganze war gar nicht ihr zugestoßen, sondern jemand anderem. Seltsam ungerührt und losgelöst konnte sie sich einfach nicht vorstellen, dass es ihr Mann war, der da mit gebrochenen Knochen in dem mit Lilien geschmückten Eichensarg vor dem Altar lag. Toby war von ihr gegangen. Er war nicht mehr da. Was sie anging, so hätte der Sarg auch leer sein können. Vielleicht hatte sie bereits all ihre Tränen um Toby vergossen, als er noch am Leben war. War ein Teil von ihr froh, dass er diesen Ausweg gewählt und sie von seiner zerstörerischen Sucht befreit hatte? Das konnte nur die Zeit beantworten. Während sie die unglückliche Seele ihres Mannes zur
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