Die Schokoladendiät
auf.» Ich wische mir die Tränen mit dem Ärmel meines Pu-der-Bär-Schlafanzugs ab. «Gute Nacht. Schlaf gut.»
«Leb wohl, Herzchen. Ich wünsche dir alles Glück im Leben.» Und damit legt Mr. Sexy auf.
62
Darrens Assistentin hat inzwischen bestimmt schon tonnenweise Make-up auf meinem blassen, müden Gesicht verteilt. Wieder und wieder bearbeitet sie mit professioneller Hand meine dunklen Augenringe mit Lancômes
Flash Retouche
und schafft es tatsächlich, mich in eine blühende Braut zu verwandeln. Ich sitze in Unterwäsche da, mit Strümpfen, Strapsen und hochgestecktem Haar, als die Mitglieder des Schokoclubs hereinstürmen. Kichernd und lachend platzen sie durch die Tür – und sofort steigt mein Lebensmut. Darren wird zur Seite gefegt, und meine Freundinnen stürzen sich auf mich und küssen mich ab.
«Na, wie geht es der angehenden Braut?» Nadia umarmt mich liebevoll.
«Ich hab eine Heidenangst.» Es ist noch nicht einmal zehn, und schon jetzt zittern mir die Hände. Meine Gefühle sind ein einziges Chaos, und meine Knie sind watteweich. Meinen nachmitternächtlichen Anruf bei Mr. Sexy verschweige ich den dreien am besten.
«Es ist dein gutes Recht, nervös zu sein», erklärt Nadia. «Heiraten ist ja wirklich eine ernste Sache. Aber du wirst sehen, alles wird gut. Besser als gut.»
«Ja, ja, ganz bestimmt, ganz bestimmt.»
«Wir haben dir Nervennahrung mitgebracht», sagt Chantal. «Mund auf.»
Ich gehorche, und sie schiebt mir eine Schokotrüffel in den Mund.
«Oh», seufze ich. Köstliche Madagaskar-Plantagenschokolade zergeht mir auf der Zunge. «Mhm. Das tut gut.» Diese Praline könnte sich als die wirklich und endgültig allerletzte Schokolade erweisen, die ich als Single verspeise. Da muss ich sie auch genießen.
Marcus hat mich frühmorgens angerufen, um mir zu sagen, dass er mich liebt. Seitdem bin ich ständig kurz vorm Losheulen. Eine einsame Träne hat es nun endlich geschafft und sickert mir aus dem Augenwinkel.
«Du darfst dein Make-up nicht verschmieren», ermahnt mich Chantal und wischt den feuchten Störenfried blitzschnell mit einem Papiertaschentuch weg. «Du musst die Tränen runterschlucken. Einfach runterschlucken. Weinen darfst du erst,
nachdem
du dein Jawort gegeben hast.»
Ich ziehe kräftig die Nase hoch.
«Ist denn wirklich alles in Ordnung?», fragt Nadia.
Meine Lippen zittern. Dieser Frau entgeht ohnehin so gut wie nichts, da kann ich auch gleich reinen Tisch machen. «Ich hab gestern Nacht Mr. Sexy angerufen», gestehe ich. Soll man nicht vor der Hinrichtung seine Beichte ablegen? Vielleicht gilt das ja auch für die Hochzeit. «Er hat mir gesagt, dass er mich immer noch liebt.»
Die Mitglieder des Schokoclubs werfen sich beunruhigte Blicke zu. «Macht euch keine Sorgen», sage ich gleich und hebe beschwichtigend die Hände. «Ihr müsst trotzdem pünktlich in der Kirche erscheinen. Wir haben die Sache zwischen uns geklärt.» Meine Stimme wird ein bisschen brüchig. «Wir sind übereingekommen, uns nicht mehr zutreffen und nicht mehr miteinander zu telefonieren. Das ist die beste Lösung.» An diesem Punkt breche ich in Tränen aus. Mein Make-up ist mir piepegal. Ich hab das heulende Elend.
«Das sind die Nerven», sagt Nadia knapp. «Setz dich hin und iss etwas Schokolade. Pass aber auf, dass deine Unterwäsche keine Flecken abkriegt.» Sie hüllt mich in ein flauschiges Badetuch, führt mich zum Bett und drückt mich auf die Matratze nieder. Es ist mir schrecklich, dass sie sich in ihrer furchtbaren Lage so tapfer hält, während ich mich angesichts der Vorstellung, den Mann zu heiraten, den ich seit fünf Jahren zu lieben behaupte, so erbärmlich gehenlasse.
«Ich lasse Tee hochbringen.» Chantal greift zum Telefon. «Und Wodka.»
«Was würde ich ohne euch tun», schluchze ich.
«Darren kann schon mal mit uns dreien anfangen», bestimmt Nadia. «Und du nimmst dir jetzt erst einmal eine halbe Stunde Auszeit und kommst zur Ruhe.»
Ich habe mich tüchtig ausgeweint, zwei Gläschen Wodka gekippt, drei Tassen Tee getrunken und vier Schokoladen-Croissants gegessen – das muss jetzt aber
wirklich
die letzte Schokolode vor meiner Hochzeit sein, sonst bekomme ich den Reißverschluss meines wundervollen Brautkleids nicht mehr zu. Ich fühle mich jetzt schon viel, viel besser.
Jacob streckt vorsichtig den Kopf durch die Tür. «Darf man als Mann schon reinkommen?»
«Nur zu», antwortet Nadia. «Wir haben alle was an.»
Er tritt ein und lässt
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