Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
usw. zu sein), schien ihr derart unmännlich, dass sie sich erschaudernd und belustigt zugleich, wie vom Anblick eines
hässlichen Zootiers, von ihnen abwandte.
Kurzum, die Layouterin erzählte, dass es nach dieser Vorauswahl zu lediglich zwei Begegnungen gekommen sei, die zum Schlimmsten
gehörten, was ihr jemals widerfahren war.
Der erste Mann, den sie getroffen hatte, ein gewisser Sebastian, braun gebräunt, Programmierer in einer Handy-Firma, war derart
aufgeregt gewesen, dass er in dem Restaurant, in dem man beieinander saß, in so großer Eile den Speisen und dem Bier sich
hingab, dass er mit einer sich anschließenden heftigen Errötung laut aufstoßen musste. |171| Unter dem Eindruck dieser Unachtsamkeit stehend, war es ihm unmöglich, ein auch nur halbwegs sinnvolles Gespräch weiterzuführen.
Ziemlich schweigsam aß man unter gespieltem Wohlbefinden noch rasch die Nachspeise.
Und obgleich, wie jeder begreift, das Treffen nicht gerade zu einer Wiederholung reizte, erhält die Layouterin noch heute
die aufdringlichsten Mails und SMS’. Ja, selbst Pralinen hat sich Sebastian kürzlich erdreistet, am Empfang der Redaktion
abgeben zu lassen, was die Kollegenschar zu derben Scherzen verleitet hat. Wohl auch deshalb, da sie in einer herzförmigen
Verpackung steckten.
Der zweite Mann war eine womöglich noch größere Enttäuschung, Heiko, ein Lokalreporter, der unserer Layouterin nicht einmal
aus dem Mantel half und, ohne auch nur eine einzige Frage an sie zu stellen, sogleich raumgreifend von seinem spannenden Job
erzählte; er schreibe eine regelmäßige Kolumne, plane ein großes Porträt über den Schauspieler Walter Sindmann usw. Dabei
beugte er sich oft und gern der Layouterin bedrohlich entgegen, die nicht nur feststellen musste, dass er übel roch, sondern
sich auch Essensreste, unter anderem ein, wie ihr schien, beachtliches Stück Hähnchenbrustfilet, zwischen seinen Zähnen verfangen
hatte. Zur großen Überraschung Heikos, da er sich mitten in einem Satz befand und auf eine Pointe zusteuerte, brach die Layouterin,
plötzlich aufgetretene Periodenschmerzen vortäuschend und unter lebhaften Erwehrungen, nach Hause geführt zu werden, die Begegnung
ab.
Die Freundinnen lachten, bestellten zwei weitere Kaffees. |172| Die Treffen hatten ja durchaus amüsante Aspekte. Wenngleich, wie die Layouterin sagte, es schon ungemein störend sei, dass
auch Heiko sie seither mit forschen Kurzmitteilungen behellige; in der letzten stand sogar, sie habe eine erotische Stimme,
was ihr schon deshalb suspekt vorgekommen war, da sie sich nicht daran erinnern konnte, an dem Abend viel gesprochen zu haben.
Wir müssen der Layouterin in ihrem harschen Urteil über die hier skizzierten Männer recht geben. Denn mehr noch womöglich
als des forschen Zugriffs bedarf die Liebe, damit sie sich recht entfalten kann, einer wohldosierten Abwesenheit des Begehrten.
Wie überhaupt an dieser Stelle zur Abwesenheit gesagt werden muss, dass sie es ist, die dafür sorgt, dass man einen gewissen
Nimbus entfaltet. Je unnahbarer jemand sich aufgrund seiner repräsentativen Stellung geben darf, das gilt in der Liebe wie
im Berufsleben, umso größere Aufmerksamkeit und Ehrerbietung wird ihm dargebracht. Es ist die Seltenheit des Anblicks, die
jemanden erhebt. Mit ihm in Kontakt zu stehen erscheint als Gnadengeschenk. Die Seltenheit des Anblicks, der gezielte Rückzug,
ist immer Grundlage für die Fama des Mächtigen, der niemals als der verlängerte Arm eines anderen erscheint. Er wirkt stets
ungreifbar, unangreifbar und in höchstem Maße unabhängig.
Dass durch die Abwesenheit des Begehrten jedenfalls die Einbildungskraft befeuert wird, hat die Layouterin selbst schon das
eine oder andere Mal – und dabei befand sie sich durchaus nicht in hoffnungsvoller Stimmung –, erfahren müssen.
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|173| 28 SICH GESCHICKT KLEIDEN
M an hört ab und an den Satz, bei Kleidung käme es darauf an, sich in ihr wohlzufühlen. Das stimmt nicht. Es kommt darauf an,
in ihr gut auszusehen, gesellschaftliche Zwänge, die mit der Mode einhergehen, zu akzeptieren und sie nicht etwa durch unrasierte
Beine oder Achselhöhlen zu bekämpfen.
Zu Recht wurde gesagt, dass hierzulande die Mode in ihrem innersten Wesen oftmals gar nicht verstanden werde, dass der Deutsche
keinen rechten Begriff habe vom öffentlichen Raum und deshalb modische Kleidung per se ablehne als Zeichen einer Diktatur
des
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