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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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sehr, sehr Leid.« Julius schaute Pam an. Ihr vertrautes, lächelndes Gesicht drückte Mut und strahlende Energie aus. »Willkommen in der Heimat, Pam«, sagte er. »Mein Gott, ist das schön, Sie wiederzusehen! Wir haben Sie vermisst. Ich habe Sie vermisst.«
    Dann, als Pams Blick auf Philip fiel, senkte sich Dunkelheit herab. Ihr Lächeln und die lustigen Fältchen um ihre Augen verschwanden. Da Julius glaubte, sie sei durch die Anwesenheit eines Fremden in der Gruppe verstört, wollte er die beiden rasch miteinander bekannt machen: »Pam, das ist unser neues Mitglied Philip Slate.«
    »Ach, Slate heißt er?«, sagte Pam, wobei sie Philip ostentativ nicht anschaute. »Nicht Philip Schmierlappen? Oder Schleimbeutel?« Sie blickte zur Tür. »Julius, ich weiß nicht, ob ich mit diesem Arschloch in einem Raum sein kann!«

    Die verblüfften Gruppenmitglieder schauten zwischen der erregten Pam und dem völlig schweigsamen Philip hin und her. Julius mischte sich ein. »Klären Sie uns auf, Pam. Bitte setzen Sie sich.«
    Als Tony einen weiteren Sessel neben Philip in den Kreis zog, sagte Pam: »Nicht neben ihm.« Sofort erhob sich Rebecca und geleitete Pam zu ihrem Platz.
    Nach kurzem Schweigen fragte Tony: »Was ist los, Pam?«
    »Gott, ich fasse es nicht – soll das ein monströser Witz sein? Das ist das Letzte, was ich mir gewünscht habe. Ich wollte diese Ratte nie wieder sehen.«
    »Was ist los?«, wollte jetzt auch Stuart wissen.«Was ist mit Ihnen, Philip? Sagen Sie doch was. Was ist los?«
    Philip schwieg weiterhin und schüttelte leicht den Kopf. Aber sein inzwischen hochrotes Gesicht sprach Bände. Julius registrierte, dass Philip offensichtlich doch ein funktionierendes autonomes Nervensystem hatte.
    »Versuchen Sie zu sprechen, Pam«, drängte Tony. »Sie sind unter Freunden.«
    »Von allen Männern, die ich jemals kennen gelernt habe, ist diese Kreatur am übelsten mit mir umgesprungen. Und in meine Therapiegruppe heimzukehren und ihn hier vorzufinden – das ist unglaublich. Ich würde am liebsten heulen oder schreien, aber das tue ich nicht – nicht in seiner Gegenwart.« In Schweigen verfallend, schaute Pam zu Boden und schüttelte langsam den Kopf.
    »Julius«, sagte Rebecca, »ich werde nervös. Das ist nicht gut für mich. Also, was ist los?«
    »Offensichtlich gibt es eine Vorgeschichte zwischen Pam und Philip. Ich versichere Ihnen, ich bin selbst total überrascht.«
    Nach kurzem Schweigen schaute Pam Julius an und sagte: »Ich habe so oft an diese Gruppe gedacht. Ich habe mich so darauf gefreut, hierher zurückzukommen, habe geprobt, was ich Ihnen über meine Reise erzählen werde. Aber, Julius, ich glaube nicht, dass ich es schaffe. Ich möchte nicht bleiben.«

    Sie stand auf und wandte sich zur Tür. Tony sprang auf und ergriff ihre Hand.
    »Pam, bitte. Sie können nicht einfach gehen. Sie haben so viel für mich getan. Kommen Sie, ich setze mich neben Sie. Wollen Sie, dass ich ihn fertig mache?« Pam lächelte schwach und ließ sich von Tony zu ihrem Platz zurückführen. Gill rückte auf, um den Sessel daneben für Tony freizumachen.
    »Mir geht es wie Tony. Ich möchte helfen«, sagte Julius. »Das möchten wir alle. Aber Sie müssen uns auch helfen lassen, Pam. Offenbar gibt es eine Geschichte, eine schlimme Geschichte zwischen Ihnen und Philip. Erzählen Sie sie uns, reden Sie darüber – sonst sind uns die Hände gebunden.«
    Pam nickte langsam, schloss die Augen und machte den Mund auf, doch es kamen keine Worte heraus. Dann erhob sie sich, trat ans Fenster, legte ihren Kopf an die Scheibe und wies Tony zurück, der ihr hinterhergekommen war. Sie drehte sich um, holte ein paar Mal tief Luft und begann mit geisterhafter Stimme zu sprechen: »Vor über zwanzig Jahren hatten meine Freundin Molly und ich mal Lust auf ein Abenteuer in New York. Molly war meine beste Freundin seit Kindertagen, sie wohnte nur ein paar Häuser weiter. Wir hatten gerade unser erstes Semester in Amhurst hinter uns und schrieben uns gemeinsam für Sommerkurse an der Columbia ein. In einem der beiden Kurse ging es um die vorsokratischen Philosophen, und raten Sie mal, wer der Tutor war.«
    »Tutor?«, fragte Tony.
    »Der Assistent des Professors«, warf Philip leise, aber unverzüglich ein, sein erster Beitrag in dieser Sitzung. »Der Tutor ist ein Student im höheren Semester, der als Gehilfe des Professors kleine Diskussionsgruppen leitet, Referate liest, Prüfungsarbeiten benotet.«
    Pam schien Philips

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