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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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schmerzte. Die erdrückende Last seines Versagens überwältigte ihn. Nach und nach nahm er einen hoffnungsvollen, lockenden Laut wahr. Er hörte das Rauschen von Wasser, nicht weit von ihm entfernt.
    Er sammelte all seine schwindenden Kräfte und versuchte sich aufzurichten. Sein verletzter Fuß sackte mit einem brennenden Schmerz unter seinem Körpergewicht zusammen. Harris sank auf die Knie und kroch vorwärts. Er war zu weit gekommen und hatte zu viel ertragen, um jetzt aufzugeben, gleichgültig wie aussichtslos sein Unternehmen schien.
    Als er das Ufer erreichte, waren seine Handflächen völlig zerschunden, und sein Körper lechzte nach Schlaf. Singvögel hatten damit begonnen, die aufgehende Sonne zu begrüßen. Ihr fröhliches Zwitschern klang für ihn wie ein Hohngesang.
    Zu müde, um die Stiefel auszuziehen, setzte er sich ans Ufer und streckte seine Füße in das rasch vorbeifließende Wasser. Allmählich linderte die Kühle seinen Schmerz und erlaubte ihm einmal mehr, in den Schlaf zu gleiten.
    Etwas später erwachte er erschrocken, als er eine feuchte Nase an seiner Hand spürte. Sein erster Gedanke galt einem Fuchs oder einem Wolf, der eine verwundete Kreatur als leichte Beute ansah. Sobald seine Sinne schärfer wurden, erkannte er, dass die nasse Schnauze einem Hund gehörte – jenem Hund, den er zusammen mit den kreischenden, dunkelhäutigen Kindern im Lager von Levi Augustine gesehen hatte.
    Plötzlich waren auch die Kinder da und umringten ihn. Dabei schrien sie alle in ihrer Sprache. Ihrer Aufregung konnte er entnehmen, dass sie ihn erkannten, selbst ohne roten Bart. Harris lächelte und zerzauste ihnen das dunkle Haar, um zu zeigen, dass er sich an sie erinnerte.
    Levi Augustine zog das Kanu ans Ufer.
    “Barbe-Rouge?” Kopfschüttelnd sah er Harris an. “Hast du einen Kampf mit einem Bären verloren, mein Freund? Einer Bärin, vielleicht?”
    Harris antwortete mit einem flüchtigen Lächeln: “Ich brauche deine Hilfe”, sagte er auf Französisch. “Jemand hat meine Frau geraubt, und ich muss sie zurückholen. Hast du von einem Mann gehört in Chatham, der Schiffe baut? Black Douglas nennt man ihn.”
    Zur Antwort erhielt er einen finsteren Blick, der Levis Gesicht verdüsterte. “Er ist ein böser Mensch, der meine Leute für seine eigenen Taten beschuldigt. Sag, wie wir deine Frau zurückholen können, und wir werden es tun.”
    “Kannst du mich mit deinem Kanu nach Richibucto bringen?”
    “Warum dahin? Ist deine Frau nicht in Chatham?”
    “
Oui
, das ist sie. Doch ich brauche ein wichtiges Dokument, um sie von Douglas freizubekommen. Das erhalte ich nur in Richibucto.”
    Levi unterbrach ihre Unterhaltung und rief die jüngeren Männer seines Stammes zusammen. Dann wandte er sich wieder an Harris. “Ich verstehe nicht, warum die weißen Männer so viel Wert auf ein Stück beschriebenes Papier legen. Das ist kein lebendes Ding, doch übt es einen gewaltigen Zauber über euch aus.”
    Ein größeres und festeres Kanu, das in der Nähe lag, wurde zu Wasser gelassen. Levis verwitweter Bruder und der Jüngling, der Levis Tochter heiraten wollte, paddelten. Alle drei halfen Harris ins Boot. Levi rief seiner Frau am gegenüberliegenden Ufer noch zu, wohin sie wollten.
    Als der aus Birkenrinde gebaute Kahn stromabwärts trieb, sehnte sich Harris danach, ein Ruder zu haben, doch er wusste, er wäre hinderlicher als hilfreich. So ließ er den verletzten Fuß ruhen, und die Sonne und die Luft belebten ihn erneut.
    “Levi, weißt du, welcher Tag heute ist?” Harris war sich nicht mehr sicher.
    “Der dritte Tag des neuen Mondes”, kam die überzeugte, doch wertlose Antwort.
    Angst stieg in Harris hoch. Er konnte niemals hoffen, rechtzeitig zu Fuß nach Chatham zu gelangen. Nicht, wenn sein Fuß gebrochen war. Verzweifelt wie er war, würde er Levi und die anderen bitten, ihr Leben zu riskieren, um ihn nach Chatham zu bringen. Erst mussten die Papiere geordnet sein, dann konnte er vielleicht einen Boten schicken, der seine Nachricht übergab und Jenny zurück nach Richibucto brachte.
    Würde sie mit einem Fremden gehen? Harris war nicht einmal sicher, dass er sie überzeugen konnte, noch viel weniger wäre dazu vermutlich ein Stellvertreter in der Lage.
    Wenn er doch nur genug Zeit hätte.
    Jenny blickte auf die Pendeluhr in der Ecke des Wohnzimmers. Es ging bereits auf Mitternacht zu. Wollten die Gäste niemals gehen?
    Der Kopf tat ihr weh. Trotz aller Arbeit, die man sich gemacht hatte mit

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