Die schottische Lady
Ebbe war der Wasserspiegel des Sees gesunken. Shawna blickte sich um, und es widerstrebte ihr, den Ort ihrer beglückenden Liebesnacht zu verlassen. Aber David wollte sie so bald wie möglich ins Castle Rock zurückbringen.
»Warum gibst du deine Anwesenheit nicht schon heute bekannt?« fragte sie.
»Vorher muss ich noch einige Fragen klären.«
»Und wie soll ich ins Schloss gelangen? Ich kann doch nicht splitternackt zur Tür hineingehen ... «
»Das würde ich dir auch gar nicht erlauben, Shawna. In meiner Truhe findest du genug Hemden und Kilts. Ich begleite dich bis zu deinem Turmzimmer.«
Während sie sich anzog, schlüpfte er in seine schwarze Hose, das passende Hemd und die hohen Stiefel. Dann trug er sie durch das seichte Wasser am Höhleneingang zum trockenen Ufer. Sie folgten verschlungenen Waldwegen und mehreren Geheimgängen. Unbemerkt erreichten sie die Tür des Turmzimmers.
»Du wirst doch nicht ohne meinen Bruder ausgehen?« ermahnte er Shawna und nahm sie in die Arme.
»Weiß er Bescheid?«
»Ich werde ihn informieren. Und du muss t mir gehorchen, hörst du?«
»Aye. Aber ich verstehe nicht ... «
»Bitte, Liebste, vertraue mir!«
»Ja«, stimmte sie leise zu.
Weil sie ihn liebte, vertraute sie ihm rückhaltlos. Ihr Leben lang hatte sie ihn geliebt. Und in dieser Nacht war ein Traum in Erfüllung gegangen. Nie wieder würde sie sich fragen müssen, ob er ihre Gefühle erwiderte - oder ob er sie nur begehrte.
Trotzdem fürchtete sie sich aus unerklärlichen Gründen. »David ... «
»Jetzt habe ich keine Zeit mehr.« Lächelnd hauchte er einen letzten Kuß auf ihre Lippen, dann verschwand er durch eine Geheimtür in der Mauer des Turms.
Von quälender Sorge erfüllt, betrat sie ihr Zimmer. Irgendetwas würde geschehen. Schon bald. Und sie konnte es nicht verhindern.
Kapitel 17
Bruder Damian stand in der Taverne an der Theke und schlürfte langsam sein Ale. Aufmerksam belauschte er die Bauern, Schäfer und Rinderhirten, die an verschiedenen Brettertischen saßen. Einige aßen Hammeleintopf, andere hatten sich eingefunden, um Bier zu trinken und die Gesellschaft ihrer Freunde zu genießen. ,
»Wenn ihr mich fragt ... « , begann der alte Ioin Menzies, Marks Vater, und senkte den Kopf, so dass ihm nur seine Tischgefährten zuhören konnten. Trotz seiner fünfundsiebzig Jahre besaß er immer noch lebhafte blaue Augen und strotzte vor Kraft. »Im Schloss dort oben geschehen seltsame Dinge. «
»Allerdings - schon seit der alte Laird Douglas gestorben ist«, bemerkte der hübsche zwanzigjährige Hamell, einer von Fergus Andersons Söhnen, und schaute sich vorsichtig um.
Wahrscheinlich sucht' er seinen Vater, dachte der Mönch.
Hamell beugte sich vor und flüsterte : »In der Nacht des großen Feuers hat's angefangen.«
»Glaubst du, die Hexen haben ihre Hand im Spiel?« fragte Ioin.
»Meinst du das ernst?«
»Diese Amerikanerin ist doch verschwunden, oder?«
»Aye.«
»Und morgen bricht die Nacht der Mondjungfr a u herein. Vielleicht soll das Mädchen auf dem Opferaltar sterben.«
»Hast du den Verstand verloren, alter Junge?«
»Jedenfalls gehen da die seltsamsten Dinge vor.«
»Aye«, bestätigte Hamell, »zum Beispiel die Rettung unseres kleinen Dannys, den ein sonderbares Tierchen aus dem verschütteten Schacht geführt hat.«
Ioin nickte grimmig. »Klar, im Bergwerk spukt's. Davon hat mir mein Sohn oft genug erzählt.«
»Wie auch immer, niemand wird ein Mädchen auf dem Druidenstein schlachten. Das werden wir verhindern. Und wir lassen uns das Fest nicht von deinen Unkenrufen verderben. Mein Kostüm mit der Maske ist schon fertig. Seit heute Morgen bereiten die Dienstboten die Feier vor. Angeblich stellen sie so viele Wein- und Alefässer auf wie noch nie. Ich habe fleißig für den Speerwurf geübt. Und ich will mit meinem Mädchen tanzen. Also versalz uns nicht das Vergnügen, hörst du, loin?«
»An mir soll's nicht liegen. Aber nehmt euch vor Edwina und ihren Hexen in acht.«
»Red doch keinen Unsinn, loin!« rief eine scharfe Frauenstimme von der Tür herüber.
Bruder Damian drehte sich erstaunt um und sah Edwina McCloud eintreten. Zum Schutz vor dem kalten Novemberwind trug sie einen langen dunklen Umhang. Der Mönch beobachtete mit schmalen Augen, wie sie erbost zu Ioins Tisch stürmte.
»Moment mal, Edwina!« protestierte der alte Mann und wurde rot.
»Habe ich dir nicht immer wieder geholfen, loin Menzies? Ohne meine Kräuter wären die Furunkel auf
Weitere Kostenlose Bücher