Die schottische Rose
woran.
Sie folgte Connors Blick zu der Gestalt auf den Bänken, die an der Längsseite des Mittschiffs neben dem Altar standen. Dort saß, zurückgelehnt und mit mürrischer Miene, Herzog Argyll von Albany. Er rief zwar ebenfalls sein Hoch auf den König, aber sein Blick und die nach unten gezogenen Mundwinkel machten deutlich, dass er sich keineswegs über diese Krönungszeremonie freute. Der Earl von Atholl, Walther Stewart, der Bruder des eingekerkerten Statthalters von Schottland, wirkte ebenso wenig erfreut.
Juliet ließ ihren Blick über die anderen hohen Adligen gleiten, die auf den für den Hochadel und einige ausgewählte Würdenträger reservierten Bänken neben dem Altar saßen. Den französischen Gesandten, Marquis d’Anjou, kannte sie noch aus Frankreich persönlich. Sein schmales, bärtiges Gesicht leuchtete in ehrlicher Freude, als er jubelnd aufsprang und den König feierte. Ihm gegenüber, zwei Bänke neben dem Herzog von Albany und dem Earl von Atholl, saß ein weiterer eher missmutig dreinblickender Mann. Er war klein, fast kahl und in kostbare Seidengewänder gekleidet. Er betrachtete Jakob Stewart, jetzt James I. von Schottland, abschätzend, während seine Blicke immer wieder zu dem Herzog hinüberzuckten.
Juliet verspannte sich unwillkürlich. Natürlich wäre dem englischen Gesandten ein anderer Kandidat für den schottischen Thron lieber gewesen, wie auch zweifellos dem englischen König selbst. Juliet überlief es kalt, als sie plötzlich die stechenden blauen Augen des englischen Gesandten Lord Peter Cunningham auf sich ruhen fühlte. Eine ungute Vorahnung überkam sie. Jakob, nein, James I. hatte die Krone Schottlands errungen, aber damit hatte er eine Aufgabe angetreten, die ebenso schwierig wie gefährlich war. Sie wusste, dass James’ Hauptanliegen war, Schottland zu einen und zu befrieden, um es stark und unabhängig zu machen, vor allem von England. Und Lord Cunninghams Blick verriet ihr, dass der Gesandte des englischen Königs das ebenfalls sehr genau wusste und im Unterschied zu ihr und den meisten anderen Menschen hier in der Abtei von Scone keineswegs schätzte.
Unwillkürlich tastete Juliet nach Connors Hand. Sie schob ihre Finger in seine und drückte sie leicht. Ein beruhigendes Gefühl durchströmte sie, als sie seine warme Haut und seine kräftige, vom Führen des Schwerts schwielige Handfläche fühlte. Was auch geschehen mochte, sie wusste, dass sie sich diesen Problemen nicht mehr allein stellen musste. Connor war bei ihr, und er würde bei ihr bleiben und sie beschützen. Dessen war sie sich gewiss. Allerdings hätte sie gern gewusst, ob er ihre Verbindung auch irgendwann öffentlich anerkennen und förmlich um ihre Hand anhalten würde. Sie errötete, als wieder dieses merkwürdige Übelkeitsgefühl von ihrem Magen hochstieg, und ihr schwindelte leicht. Sie lehnte sich an Connor, der durch ihre Berührung aus seinen Gedanken gerissen wurde und zu ihr sah.
»Was ist mit dir, Liebste?«, fragte er leise. Einen Moment glühten seine Augen noch von dem Hass, der schon der Anblick Albanys in ihm auslöste, doch dann klärte sich ihr Ausdruck. Der Hass verschwand und wurde von aufrichtiger Liebe ersetzt, als er die Frau an seiner Seite besorgt musterte. Er schlang den Arm um ihre Taille, ungeachtet der neugierigen Blicke der Umstehenden. Die Leute hatten von den Vorfällen am Hafen gehört und beobachteten ihn, den Helden von Leith, aufmerksam. »Das lange Stehen ist anstrengend«, fuhr Connor jetzt leise fort. »Aber die Zeremonie ist gleich zu Ende. Wenn du willst, kannst du dich …«
Juliet holte mehrmals tief Luft und seufzte erleichtert, als das Schwindelgefühl und die Übelkeit verschwanden. »Nein … Nein, es … Es geht schon. Ich habe nur eben … Ich dachte …« Ein Gedanke regte sich in ihrem Hinterkopf, ein ungeheuerlicher, wundervoller, aber unerhörter Gedanke, den sie sofort wieder beiseite schob. Nein, das kann nicht sein, dachte sie. Ich bin doch nicht …
»Lord Cunningham hat gerade zu uns herübergesehen«, sagte sie rasch. »Er scheint nicht sonderlich erfreut zu sein, dass Jakob zum König von Schottland gekrönt wurde.«
Connor warf dem englischen Gesandten einen schnellen Seitenblick zu und lachte grimmig. »Nein, das ist er tatsächlich nicht«, meinte er. »Was mich auch nicht verwundert. Immerhin hat sein Herrscher keinen Hehl daraus gemacht, dass er lieber einen englandfreundlichen Monarchen auf Schottlands Thron gesehen
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