Die schottische Rose
hätte. Einer, der ihm aus der Hand frisst.« Sein Blick verdüsterte sich wieder, als er Argyll von Albany und Walther Stewart musterte. »Einen wie diesen heimtückischen …«
Juliet war froh, dass Connor sie von dem merkwürdigen, beunruhigenden und gleichzeitig berauschenden Gefühl in ihrem Inneren ablenkte, doch jetzt hob sie rasch die Hand und legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Still, Connor«, flüsterte sie. Sie spürte die neugierigen Blicke der Umstehenden ebenfalls. »Du … solltest nicht zu …«
Connor biss die Zähne zusammen und nickte dann, wenn auch zögernd. Er küsste zart ihren Finger, bevor er ihre Hand von seinem Mund zog. »Du hast recht«, meinte er. »Noch ein Grund, den Hof so schnell wie möglich zu verlassen. Diese sogenannte Diplomatie ist nichts für mich. Bei uns in den Highlands nennt man so etwas Verschlagenheit und Heimtücke.« Connor konnte und wollte sich nicht an das einengende Protokoll gewöhnen, das hier in der Umgebung des Königs herrschte. Er verachtete und verabscheute die aufgesetzte Höflichkeit, mit der sich die Höflinge begegneten, denn er wusste sehr wohl, dass die vornehmen Worte und das geschliffene Verhalten Heuchelei und Hinterlist verbargen. Am schlimmsten für ihn war, dass er sogar dem Mann, den er zutiefst verabscheute und am liebsten am Galgen gesehen hätte, mit Respekt begegnen musste.
Albany.
Gleichzeitig jedoch, und das beunruhigte ihn fast noch mehr, fragte er sich, ob Juliet ähnlich empfand. Sie war seit Jakobs Ankunft förmlich aufgeblüht. Zunächst hatte Connor diese Veränderung in ihr sich selbst zugute gehalten. Denn dass sie ihn liebte, stand außer Frage. Sie bewies es nicht nur des Nachts, wenn sie sich leidenschaftlich liebten, sondern immer, wenn sich ihre Blicke begegneten oder sie sich verstohlen oder auch nicht so verstohlen berührten. Aber genügte das? Diese Frage hatte Connor sich in den letzten Tagen häufiger gestellt. War ihre Liebe groß genug, um auf all das zu verzichten, auf den Hof, die Aufmerksamkeit des Königs und vor allem seiner Frau Joan Beaufort, die keinen Hehl daraus machte, wie sehr sie Juliet de Germont nicht nur als Freundin, sondern auch als Vertraute und Ratgeberin schätzte? Die Königin hatte sich häufig mit Juliet in ihre Gemächer zurückgezogen und sich mit ihr beraten. Juliet hatte Connor anschließend erzählt, und ihre Augen hatten dabei geleuchtet, dass ihre Kusine sehr viel Wert auf ihre Einschätzung der Situation in Schottland legte, sie nach den Clans und ihren Einstellungen zur Krone ausfragte und sich bei ihr sogar über Sitten und Gebräuche informierte.
Connor hatte Juliet meist schweigend zugehört. Er freute sich zwar über ihre Begeisterung und ihren Stolz darüber, dass sie die vertraute Ratgeberin der Königin war, aber jeder Tag, den sie in der Nähe der Königin verbrachte, schien sie ihm, Connor, mehr zu entfremden. Nein, verbesserte er sich, als er jetzt in Juliets Augen sah, in der ihre Liebe zu ihm deutlich zu erkennen war. Juliet entfremdete sich nicht ihm, sondern dem Leben, das er ihr auf Mandrake Manor bieten konnte. Es war nicht annähernd so schillernd und aufregend wie am Hofe des Königs und ganz gewiss nicht so prächtig. Connor war kein Edelmann, auch wenn er als Chief einer großen Clangemeinschaft über Einfluss und Macht verfügte. Aber ihre Sorgen betrafen nicht die Meinung irgendwelcher ausländischer Monarchen, sondern die Frage, ob ihre Rinder auf den kargen Weiden der Highlands genug zu fressen fanden, ob sie mehr Schafe anschaffen und wo sie ihre Wolle am besten verkaufen sollten. Die Fragen, die Joan Beaufort mit Juliet de Germont erörterte, betrafen das Wohl Schottlands. Die Fragen, die er mit ihr besprechen würde, betrafen das Wohl einiger Clansleute, für die er verantwortlich war. Würde ihr das genügen?, fragte sich Connor erneut. Denn das war alles, was er ihr bieten konnte, wenn sie seine Frau werden wollte.
Seine Kehle schnürte sich zusammen.
»Connor?« Juliet bemerkte die Veränderung auf seinem Gesicht. »Was hast du? Du siehst mich so seltsam an. Als würdest du …« Sie fröstelte, als sie dachte, was sie nicht auszusprechen vermochte. Als würdest du Abschied nehmen. Was dachte er? Doch sie wagte nicht, die Frage laut zu stellen.
In diesem Moment stimmten die Menschen in der Kirche ein feierliches
Te Deum
an. Als es verklang, schritten der König und seine Gemahlin die Treppe vom Altar herunter und gingen unter den Klängen
Weitere Kostenlose Bücher