Die schottische Rose
auf ihrem Kopfkissen gefunden, als sie in dieser Nacht spät zu Bett gegangen war, die ganz offensichtlich ein frecher Dieb aus dem gehüteten Rosengarten der Königin stibitzt hatte.
»Bist du plötzlich taub geworden?«
Juliet fuhr zusammen, als sie die vertraute Stimme neben sich hörte. »Wie?« Sie sah Nanette an und lachte, als sie den vorwurfsvollen Blick ihrer Freundin sah. »Gewiss, dein Buffon ist wirklich ein prachtvoller …«
»Also wirklich!« Nanette DeFleurilles verzog die Lippen zu einem Schmollen, doch dann lachte sie versöhnlich. »Ich habe dich gerade gefragt, ob du auch glaubst, dass Connor den Herzog sofort herausfordern wird.«
Juliet schüttelte den Kopf. »Das kann er erst tun, wenn die Reiterkämpfe und die Geschicklichkeitsprüfungen vorbei sind. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, es gibt strenge Regeln, wer wen wie herausfordern kann. Und Connor muss gewiss zuerst einige andere Kämpfe bestehen.« Sie seufzte, als sie an seine kaum verheilte Brustwunde dachte, und ihr Blick zuckte zum Herzog herüber, der mit seinem prächtigen Wallach, einem gut geschulten und schwer gepanzerten Kriegsross, am Anfang der Reihe der Ritter stand. »Wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, dass er sich dabei so erschöpft, dass es nicht zu einem Aufeinandertreffen der beiden kommt.«
Nanette nickte. »Ich glaube auch, dass Blut fließen wird, wenn Connor und der Herzog aufeinandertreffen. Blaues Blut«, fügte sie mit einem kurzen Kichern hinzu, verstummte jedoch, als sie Juliets vorwurfsvollen Blick sah. »Verzeih«, sagte sie rasch. »Es ist ja nicht so gefährlich. Ich meinte auch nur …«
»Ich weiß, dass sie nicht mit scharfen Waffen kämpfen, Nanette, aber du könntest trotzdem deine Zunge etwas im Zaum halten. Es gibt genug Möglichkeiten, sich auch mit den stumpfen Lanzen und Schwertern zu verletzen oder sich bei einem Sturz vom Pferd die Knochen zu brechen.« Ihr Blick glitt unwillkürlich zu Connor hinüber. Er saß gelassen in dem merkwürdigen Ledersattel seines Hengstes, den er aus Arabien mitgebracht hatte. Er unterschied sich deutlich von den hölzernen Gestellen, welche die anderen Ritter auf ihre Pferde geschnallt hatten, und sie fragte sich, ob Connor nicht einen Nachteil hatte, weil sein Sattel ihm weniger Halt bot, wenn eine mit dicken Lumpen und Leder abgestumpfte Lanzenspitze gegen seinen Schild prallte. Doch seine Haltung strahlte Ruhe und Zuversicht aus, und ihre Furcht um ihn ebbte ein wenig ab. Connor wusste, was er tat, und sollte der Herzog irgendeine Schandtat im Sinn haben … Sie sah zu dem Königspaar hinüber, das jetzt die Parade der Ritter abnahm. Hinter ihnen saß auf einem Hocker Sir Rupert von Atholl, der neue Lordkämmerer. Er trug ebenfalls einen Harnisch und darüber die goldene Kette, die sein Amt verriet. Es schien, als spürte er Juliets Blick, denn er sah kurz zu ihr hinüber und blinzelte ihr zu. Sie bemerkte die Armbrust, die an einem Gestell hinter ihm hing. Offenbar traute auch Sir Rupert dem Herzog nicht besonders. Dann drehte sich der junge Stewart wieder herum, er sah jedoch nicht zu der beeindruckenden Kolonne von Rittern hin, die ihre Lanzen vor dem König zum Gruß erhoben und dann in den Staub des Platzes senkten. Juliet folgte seinem Blick und lächelte, als sie bemerkte, wen Sir Rupert so aufmerksam beobachtete.
Aylinn von Albany saß auf einem Stuhl direkt neben dem Podest der Majestäten. Sie ist wirklich eine Schönheit, dachte Juliet ohne jeden Neid. Sie trug ein tiefrotes Gewand aus feinstem Samt, dessen Farbe sich perfekt mit ihrem kastanienroten Haar vertrug und es noch stärker leuchten ließ. Darüber hatte sie einen leichten Umhang aus gefärbter Wolle geschlungen, der mit kostbaren Perlen bestickt war. Auch in ihr Haar waren kunstvolle Bänder mit Perlen eingeflochten. Doch ihre Eleganz und Schönheit täuschten nicht über Aylinns Unruhe hinweg. Juliet bemerkte, wie sie ständig zwischen ihrem Vater und Connor hin und her sah und dabei die Hände rang. Erst als ihr Blick fast hilfesuchend zu Sir Rupert glitt, schien sie sich ein wenig zu entspannen.
Juliet konnte ihr die Aufregung nicht verdenken. Sie selbst und Aylinn waren gewiss nicht die Einzigen, die diesem Turnier mit besonderer Anspannung entgegensahen. Der gestrige Abend hatte für viel Gesprächsstoff gesorgt. Nachdem der König Connor geadelt und ihm so ermöglicht hatte, an dem Turnier teilzunehmen, und der Herzog sich daraufhin so brüsk von der Tafel
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