Die schottische Rose
Turnier zu scheiden, und das wollte er auf keinen Fall. Nicht, bevor er den Herzog …
Das laute Gebrüll der Menge riss ihn aus diesen Gedanken. Während er sein Pferd neben dem auf dem Boden liegenden d’Anjou zügelte und wartete, bis der Ritter sich wieder erhoben hatte und auf sein Pferd gestiegen war, sah er sich nach dem Grund des Geschreis um.
Albany!
Der Herzog ritt unter der lautstarken Anfeuerung seiner Anhänger zwischen zwei Gegnern hindurch, warf den einen mit einem heftigen Stoß seiner Lanze vom Pferd und lenkte dabei sein Kriegsross mit Macht gegen den anderen Reiter, der durch den unerwarteten Aufprall aus dem Sattel geschleudert wurde und reglos am Boden liegen blieb. Ein Bravourstück, das laut bejubelt wurde.
Albany zügelte sein Pferd, führte es im Trab zu dem am Boden Liegenden zurück und setzte ihm die Spitze seiner Lanze an den Hals. Dann gab er seinem Pferd die Sporen und rammte dem anderen Mann, der gerade aufzustehen versuchte, seinen Fuß ins Genick. Der arme Kerl wurde durch die Wucht des Aufpralls nach vorn geschleudert und überschlug sich einmal, bevor auch er regungslos auf dem Boden liegen blieb. Albany setzte auch ihm die Lanzenspitze an die Kehle und signalisierte so seinen Anspruch als Sieger auf die Rüstung und das Pferd des Besiegten.
Es war zwar verpönt, einen Ritter zu Fuß mit dem Pferd niederzureiten, doch es gab auch keine Vorschrift, die das untersagte. Dass sich der Herzog nicht an den Ehrenkodex hielt, wunderte Connor überhaupt nicht.
Mittlerweile war d’Anjou aufgestiegen und dankte Connor mit einem Nicken, der durch sein Bleiben verhindert hatte, dass dem Franzosen Ähnliches widerfuhr wie den beiden Gegnern des Herzogs.
Jetzt saß der Ritter wieder auf seinem Pferd, und Connor wendete Mameluck in einer atemberaubenden Parade auf der Hinterhand, für die er Beifall von den Rängen erhielt, und spornte ihn zu einem mächtigen Galoppsprung an, bevor die Vorderhufe des Hengstes den Boden berührten. Albany war gerade getrennt von den anderen, und das war die Gelegenheit für Connor, den verhassten Herzog …
Im letzten Moment sah er eine Bewegung im Augenwinkel. Von links preschte ein Reiter mit angelegter Lanze heran. Er trug eine rote Schleife am Helm, was bedeutete, dass er zu der gegnerischen Abteilung gehörte.
Connor unterdrückte einen Fluch. Immer, wenn er glaubte, Albany stellen zu können, kam ihm jemand dazwischen. Albany musste seinen Leuten befohlen haben, ihm Connor vom Leib zu halten.
Aber er hatte keine Zeit, in Gedanken bei dem Herzog zu verweilen. Sein Gegner war bis auf zwei Pferdelängen herangekommen und stürmte in vollem Galopp auf ihn zu. Da der Mann von links kam, konnte Connor seine Lanze nicht einsetzen, die er in der rechten Hand trug. Die Zuschauer brüllten Warnungen, als sie das Unheil kommen sahen.
Connor maß blitzschnell den Punkt ab, an dem der Mann auf ihn treffen würde, und ritt weiter, als hätte er ihn nicht gesehen. Die ersten Schreckensrufe wurden laut, als sich die gegnerische Lanze Connors Seite immer mehr näherte. Es war streng verboten, einen Mann von hinten anzugreifen, aber von der Seite war es erlaubt.
Connor dankte im Stillen Sultan Felis el Bey für das wundervolle Pferd und die Möglichkeit, die er ihm in Konstantinopel geboten hatte, den Kampfstil der sarazenischen Kämpfer zu studieren. Connor war beeindruckt von der Wildheit, der Kühnheit, der Geschicklichkeit und der unglaublichen Ruhe gewesen, welche diese Männer im Kampf zu Pferde an den Tag gelegt hatten, und hatte sich so manchen Trick abgeschaut. Dass sein Sattel keine hölzernen Stützen vorn und hinten hatte, kam ihm jetzt zugute.
Wie auf ein Signal hin schienen die Menschen auf den Zuschauerrängen den Atem anzuhalten, als die Lanze des Roten nur noch wenige Zentimeter von Connor entfernt war. Er schien seinen Feind immer noch nicht zu bemerken. Noch ein mächtiger Galoppsprung des Falben, dann fuhr die Lanze des Roten …
Die Menge schrie entsetzt auf.
… durch die Luft über einen leeren Sattel hinweg.
Die Zuschauer suchten im Staub nach ihrem gestürzten Liebling, zu dem Connor schon nach den ersten Kämpfen geworden war, allein schon wegen seiner Ritterlichkeit, mit der er den von ihm besiegten Rittern Pferd und Waffen ließ, von seiner Tapferkeit und Geschicklichkeit ganz zu schweigen.
Der rote Ritter wurde von dem Schwung seines Stoßes, der ins Leere gegangen war, nach vorn getragen und verlor das Gleichgewicht. Darauf
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