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Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo MacDoherty
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hatte Connor spekuliert. Während er sich seitlich aus dem Sattel gebeugt hatte, so dass die gegnerische Lanze über ihn hinwegsausen musste, hatte er Mameluck in einer kurzen, festen Bewegung erneut auf die Hinterhufe gerissen und wirbelte mit dem Pferd herum, dessen Schwung ihn wieder in den Sattel hievte. Gleichzeitig hatte er seine Lanze herumgerissen.
    Sein Gegner hatte den Kopf suchend herumgedreht, während er um sein Gleichgewicht kämpfte. Connor hörte den erstickten Schrei, den der Mann unter seinem Helm ausstieß, als er den gefallenen Feind plötzlich wieder im Sattel sitzen sah.
    Sekundenbruchteile später ertönte ein zweiter Schrei, als Connors Lanze wie ein Balken quer gegen den Kopf des Ritters krachte und ihn förmlich aus dem Sattel fegte.
    Noch bevor der Rote auf dem Boden aufschlug, stieg donnernder Jubel von den Zuschauerrängen empor. Mit diesem Kunststück hatte sich Connor endgültig die Gunst der Menge gesichert. Er warf einen kurzen Blick zum Podium und suchte Juliet, die zwar kreideweiß zu sein schien und die Hände rang, aber auch sie lachte und schrie ihren Jubel über seinen Sieg heraus.
    Connor senkte die Lanze grüßend in ihre Richtung. Der König war aufgestanden und applaudierte.
    Fanfaren kündigten eine Pause an. Connor hob seine Lanze und stellte ihren Schaft in den Becher neben seinem Steigbügel, während er den Kopf grüßend in Richtung des Königs senkte. Der hörte in dem Moment auf zu applaudieren und streckte entsetzt die Hand aus.
    Was sollte das?
    Im nächsten Moment hörte er die Antwort.
    Sie waren vom tobenden Jubel der Menge und dem Schmettern der Fanfaren übertönt worden, aber jetzt waren die Hufe, die auf die weiche Erde des Turnierplatzes trommelten, nicht mehr zu überhören. Und sie waren ganz nah.
    Er reagierte aus reinem Instinkt. Es war zwar kaum zu glauben, dass ein Ritter das Signal für die Pause überhört hatte, aber nicht gänzlich unmöglich. Die Hufschläge näherten sich von links, dicht hinter ihm. Er hatte keine Zeit, sich herumzudrehen, doch im Augenwinkel sah er, dass die Spitze einer Lanze direkt auf seinen Kopf zielte. Der Ballen aus Leder und Tuch war offenbar aufgegangen, und das Metall einer tödlichen Spitze blinkte im Sonnenlicht. Connor riss die Zügel mit aller Kraft zurück und rammte seinem Hengst die Sporen in die Seite.
    Mameluck machte einen gewaltigen Satz nach hinten.
    Davon wurde der Angreifer überrascht. Er hatte die Spitze der Lanze gesenkt, als er gesehen hatte, wie Connor mit den Füßen ausholte, um sein Pferd anzutreiben, und damit gerechnet, dass er nach vorn ausbrechen würde. Dann hätte er Connor die Lanzenspitze in die Seite gebohrt, vermutlich bis ins Herz. So jedoch zischte sie an Connors Körper vorbei. Allerdings verfehlte sie ihr Ziel nicht gänzlich. Durch die ruckartige Bewegung des Hengstes war Connor nach vorn geschleudert worden. Die Lanzenspitze streifte seine Schulter, glitt von dem Kettenpanzer ab, riss ein Loch in den Stoff seines langen Wamses und fetzte ihm ein Stück Fleisch aus dem linken Unterarm.
    Sein Schwung trug den Ritter mitsamt seinem Pferd an Connor vorüber.
    »Albany!«, zischte der, als er das schwarze, mit Goldfäden durchwirkte Wams und das Wappen des Herzogs auf dessen Brust sah. Die Augen unter dem geschlitzten Helm glühten vor Hass, als der Herzog begriff, dass er sein Ziel verfehlt hatte. Doch bevor er wenden konnte, hatten sich die Turnierknappen zwischen sie geworfen. Erneut ertönten die Fanfaren, die das Ende des Kampfes signalisierten, und die Menge, die vor Schreck wie erstarrt gewesen war, brach in ohrenbetäubendes Brüllen aus.
    Der Herzog hob zögernd die Lanze außer Reichweite der Knappen. Er blieb eine Sekunde unschlüssig stehen und sah dann zum König hin. Der war ebenso aufgesprungen wie seine Gemahlin und Sir Rupert, der mit der Hand am Schwertknauf vorn auf dem Podium stand, bereit, auf einen Wink seines Königs auf den Turnierplatz zu springen und eine mögliche Eskalation zu verhindern.
    Doch der Herzog setzte seine Lanze ab, ohne auf die Schmährufe zu achten, die ihm aus dem Publikum entgegenbrandeten, setzte den Helm ab und verneigte sich vor dem König, der den hohen Adligen böse anstarrte. Der zuckte nur mit den Schultern, deutete auf seine Ohren und verneigte sich erneut. Der König zögerte einen Moment und winkte ihm, zu verschwinden. Der Herzog riss sein Pferd brutal herum und galoppierte zu seinem Knappen am Rand des Turnierplatzes. Er wartete

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