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Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo MacDoherty
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verabschiedet hatte, auf dem Fuße gefolgt vom englischen Gesandten, hatten die Spekulationen unter den Gästen geblüht.
    Juliet hatte sich zwar nicht daran beteiligt, aber sie hatte, nicht zuletzt dank Nanette, die immer ein offenes Ohr für Tratsch hatte, genug gehört, um zu wissen, dass die meisten heute mit einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Herzog von Albany, dessen Rolle bei dem Putschversuch des Statthalters von Schottland keineswegs zur Zufriedenheit aller geklärt war, und Sir Connor McPherson, dem frisch geadelten Earl von Glaschoire und Laird von Mandrake Manor, rechneten. Wie einige scharfzüngige und in der Politik recht gut bewanderte Stimmen wissen wollten, ging es dabei keineswegs nur um die Wiederherstellung der Ehre eines vom König bevorzugten barbarischen Highlanders, sondern auch um nichts weniger als Herzog Argyll von Albanys Zukunft. Sollten die beiden tatsächlich aneinandergeraten und sollte Connor den Herzog im fairen ritterlichen Toast besiegen, stand es jenem frei, entweder die Rüstung, das Pferd und die Waffen des Herzogs einzubehalten oder aber ihn öffentlich zu zwingen, sich für sein an Connor und seiner Familie begangenes Unrecht zu entschuldigen. Letzteres käme einem Schuldeingeständnis gleich, und alle waren gespannt, was der König in diesem Fall tun würde, nachdem er diese Situation so geschickt eingefädelt hatte. Verweigerte der Herzog jedoch die Entschuldigung … Wenn sie an diesen Punkt ihrer Spekulationen kamen, hoben die Spötter die Brauen. Denn dann verlöre der Herzog seine Ehre, und nicht einmal der englische König könnte ihn vor dem Zorn des Königs retten.
    Trotzdem hoffte Juliet, dass es nicht zu einem Zusammenstoß zwischen den beiden kommen würde, denn der Herzog war ein erfahrener und berüchtigter Turnierkämpfer, der sich auch nicht scheute, zu Mitteln zu greifen, die an der Grenze des Erlaubten lagen. Connor war zwar ebenfalls ein kampferprobter Recke, das hatte sie auf dem Carn Glaschoire selbst gesehen, aber er war noch durch seine Verwundung behindert. Außerdem war es ein Unterschied, ob man auf dem Schlachtfeld seine Erfahrungen machte, wo es im Kampf Mann gegen Mann nur darum ging, zu überleben, oder ob man sich in einem Turnier mit klaren, festen Regeln behaupten musste.
    All diese Überlegungen wurden nichtig, als die Herolde jetzt erneut in die Fanfaren stießen, das Geschrei der Zuschauer zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll anschwoll und die Ritter sich in vier Gruppen aufteilten, die jeweils auf einer Seite des Turnierplatzes Stellung bezogen.
    Der König hob die Hand, in der er ein seidenes Tuch in den Farben Schottlands hielt: blauweiß. »Kämpft edel und mutig!«, rief er und ließ das Tuch fallen.
    Es flatterte in dem leichten Wind sanft zu Boden.
    Im gleichen Moment schien die Erde zu erbeben, als die Reiter angaloppierten.
    Das Turnier hatte begonnen.
    *
    Connor lief unter dem Visier seines Helms der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Er zügelte Mameluck und trieb ihn mit einem kurzen Schenkeldruck nach rechts, wo gerade Adalbert d’Anjou aus dem Sattel gestürzt war, nachdem ihn die gepolsterte Lanze seines Gegners an seinem Schild vorbei mitten auf die Brust getroffen hatte. Der laute Schmerzensschrei des Bruders des französischen Gesandten ging in dem lauten Geschrei der Zuschauer, dem Wiehern der Pferde und dem Donnern der Hufe unter. Eine dichte Staubwolke waberte durch die Luft, obwohl man den Turnierplatz mit Wasser bespritzt hatte.
    Connor hielt kurz inne und sah sich in dem Gewühl aus Pferdeleibern und Männern um. Aber er konnte den Herzog nicht entdecken. Argyll von Albany gehörte zu der gegnerischen Reitergruppe, und Connor hatte ihn kaum beobachten können, um sich seine Kampftechnik einzuprägen, schließlich hatte er alle Hände voll zu tun gehabt, selbst im Sattel zu bleiben. Die Lanze wog schwer in seiner Hand, was teils an dem Gewicht des Ballens an ihrer Spitze lag, teils daran, dass Connor schon lange nicht mehr mit einer Turnierlanze gefochten hatte. Auch seine Brustverletzung machte ihm zu schaffen. Nachdem er zweimal gegen einen Ritter in blau schimmernder Rüstung angeritten war, ohne dass einer von ihnen einen Vorteil hätte erringen können, war Connors Brustwunde wieder aufgerissen. Zum Glück war es nur ein kleiner Riss, der zwar blutete, ihn aber nicht wirklich behinderte. Doch wenn er noch einen Stoß gegen die Brust bekam, war er möglicherweise gezwungen, vorzeitig aus dem

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