Die schottische Rose
denkt.«
*
»Ruhe! Ruhe, sagte ich!«
Hamish McPherson ließ seinen Blick über die etwa zwei Dutzend Männer gleiten, die in der Großen Halle von Mandrake Manor versammelt waren. Sie saßen auf Bänken an dem langen, schweren Eichentisch direkt vor dem prächtigen Kamin aus Felssteinen, den sein Vater noch vor seiner schweren Erkrankung hatte fertigstellen lassen. Hamish war froh, dass Rob McPherson beim Ausbau der Großen Halle an nichts gespart hatte. Der Raum wirkte mit seinen hohen Wänden, an denen sich kostbare Gobelins, schwere, eiserne Kerzenhalter und eine Ansammlung von Waffen sowie Wappenschilde abwechselten, wahrlich beeindruckend. Nein, verbesserte sich Hamish lächelnd. Er wirkt einschüchternd und eines Chiefs der Clans würdig.
Das Prunkstück war das Podest, das Rob McPherson nach dem Vorbild in dem prunkvollen Empfangssaal von Herzog Argyll von Albanys Campbell House hatte anfertigen lassen. Darauf stand der reich mit Schnitzereien verzierte und mit Fellen gepolsterte Stuhl des Patriarchen der McPhersons, auf dem Hamish McPherson jetzt wieder Platz nahm. Vor ihm auf dem Tisch lag das Bonnet mit den beiden Federn, welche den Rang des Chieftains der McPhersons anzeigten. Wenn es nach Hamish McPherson ging, würde bald noch eine dritte Feder hinzukommen: die des Chiefs der Chieftains, des Oberhaupts der vereinigten Clans unter der Führung eines McPhersons, wie es schon zu seines Vaters Lebzeiten gewesen war. Das hatte Argyll ihm versprochen! Wer sollte sich dem Willen des Herzogs widersetzen?
Hamish hatte die Kopfbedeckung abgenommen, strich sich sein verschwitztes, dunkelbraunes Haar aus der Stirn und zupfte an seinem Vollbart, der zu seinem Leidwesen an den Wangen ein wenig dürftig ausgefallen war und sein jugendliches Alter verriet. Doch trotz seiner kaum zwanzig Jahre wurde Hamish von einem Ehrgeiz angetrieben, der dem seines väterlichen Mentors Herzog Argyll von Albany und seines, wie der Herzog ihm versicherte, väterlichen Freundes in nichts nachstand.
Entsprechend groß waren Hamishs Enttäuschung und seine Wut gewesen, als seine Mutter ihm gesagt hatte, dass sein Vater Connor noch auf dem Krankenlager verziehen und ihn gebeten hatte, nach Mandrake Manor zurückzukehren und als Ältester die Geschicke des Clans zu übernehmen.
Hamish hatte es nicht glauben können, nicht glauben wollen. In den letzten Jahren seit Connors Verschwinden war es ihm endlich gelungen, die Anerkennung seines Vaters zu erringen, etwas, wonach er sich schon so lange gesehnt, wonach er geradezu gegiert hatte. Er hatte für Rob McPherson selbst die niedersten Aufgaben erledigt, war sich für keinen Botengang, keinen noch so albernen Dienst zu schade gewesen. Er hatte sich die Leitung des McPherson-Clans redlich verdient. Das sah auch Argyll so, er musste es so sehen! Hätte er sonst zugelassen, dass er, Hamish, die stolze Aylinn umwerben durfte? Das einzige Kind und der Augapfel des Herzogs, der sein arroganter und hochfahrender Bruder Connor damals so übel mitgespielt hatte! Mehr noch, Argyll hatte Hamish sogar in Aussicht gestellt, als Chief des McPherson-Clans und seiner Verbündeten an seiner rechten Seite zu reiten, wenn es darum ging, Schottland endlich zu ordnen und dem gebeutelten Land Frieden zu bringen. Der Gedanke ließ Hamishs Brust einen Moment anschwellen und durchströmte ihn mit einem Gefühl von Macht und Größe.
Hamish hatte sofort reagiert, nachdem seine Mutter von dem Brief erzählt hatte, in dem sie Connor gebeten hatte, nach Schottland zurückzukehren. Hamish würde niemals zulassen, dass sein älterer Bruder ihn um die Früchte seiner Bemühungen brachte, schließlich war er den Chieftains lange genug um den Bart gegangen. Er ließ den Blick über die Versammlung gleiten. Sie waren alle seiner Einladung gefolgt, und jetzt würde er mit ihrer Hilfe Connor vor vollendete Tatsachen stellen, falls er überhaupt nach Mandrake Manor zurückkehrte, was Hamish bezweifelte. Schließlich wussten sie nicht einmal sicher, ob Connor überhaupt noch am Leben war.
Hamish lehnte sich auf dem prunkvollen Thronstuhl zurück und musterte die Chieftains der Clans, die den McPhersons seit jeher die Treue geschworen hatten oder aber von Rob McPherson unterworfen worden waren. Unwillig presste er die Lippen zusammen, als er in die störrischen Gesichter der Letzteren sah. Vor allem MacKenzie und Donnegal vom Gordon-Clan starrten ihn ablehnend an. Na und? Sollten sie doch schreien und protestieren!
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