Die schottische Rose
Spätestens wenn Herzog Argyll eintraf, würden sie ihre Häupter vor ihm beugen.
Erneut ließ Hamish seinen Blick über die unter ihm versammelten Männer schweifen. Sie alle waren empört gewesen, als er sie von der bevorstehenden Ankunft des Herzogs unterrichtet hatte, selbst die ältesten Freunde der McPhersons. Ihre wütende Diskussion hielt seither an.
»Dieser englischen Hundsfott!«, meldete sich gerade Gregor Donnegal zu Wort, der Chieftain der Gordons. »Reicht dem Herzog nicht, dass er zusammen mit seinen Handlangern, den Stewarts, das ganze Tiefland beherrscht? Will er seine gierigen Krallen jetzt auch in die Highlands schlagen? Rob hat ihn bisher davon abhalten können, und wir brauchen einen Chief, der dem Herzog Paroli bietet.« Er beugte sich vor und starrte Hamish herausfordernd an. »Keinen jungen Welpen, der noch grün hinter den Ohren ist …«
Hamish fuhr hoch. Seine Hand zuckte zu seinem Schmuckdolch, den er an dem Gürtel über seinem prächtigen Samtwams trug.
Doch bevor Donnegal die Herausforderung annehmen konnte, sprang Angus Shaw auf, einer der ältesten Verbündeten der McPhersons, und schlug mit beiden Fäusten auf den langen Eichentisch, dass die Humpen wackelten und die Kerzenleuchter bedenklich schwankten.
»Hört gefälligst auf!«, brüllte er. »Was ist in Euch gefahren? Lady Elizabeth hat gesagt, dass Connor bereits auf dem Weg hierher ist. Warten wir ab, bis er eintrifft, und hören wir uns an …«
»Dann ist es vielleicht zu spät«, fauchte William Mac-Kenzie, einer der Clanführer, die erst vor wenigen Jahren von Rob McPherson unterworfen worden waren. Er deutete auf Hamish. »Er hat gesagt, dass es nicht stimmt und dass Rob seinem Ältesten nicht verziehen hat. Solange Connor nicht hier ist, um sein Recht in Anspruch zu nehmen, falls er es überhaupt besitzt, mag Hamish der rechtmäßige Chieftain der McPhersons sein. Von mir aus. Chief der Chieftains jedoch … Das ist eine ganz andere Angelegenheit! Außerdem wissen wir, dass der Herzog von Albany hierher unterwegs ist. Wenn wir bis zu seinem Eintreffen keine Einigung erzielt haben, wer der neue Chief wird, ist es zu spät. Dann wird Albany mit seinen Leuten die Sache in die Hand nehmen.« Er sah sich beifallheischend im Kreis der anderen Clanführer um. »So eine günstige Gelegenheit bietet sich uns vielleicht nie wieder. Und selbst Albany kann einen rechtmäßig gewählten Chief nicht so einfach absetzen.«
Jetzt runzelte Hamish die Stirn und spielte mit dem Bonnet vor ihm auf dem kleinen Tischchen. Das Gespräch lief in eine Richtung, die ihm keineswegs passte. Es wurde Zeit, wieder das Ruder in die Hand zu nehmen. »Connor wird euch auch nicht helfen«, behauptete er, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Stimme etwas schrill klang. »Ich sage doch, er hat seiner Familie ebenso den Rücken gekehrt wie Schottland, und er wird niemals …«
Ein Windzug fuhr durch den Saal. Die Clanführer blickten einer nach dem anderen an Hamish vorbei auf die kleine Tür in der Stirnwand der Halle, die zum neu errichteten Südturm und den Gemächern seiner Mutter führte. Schlagartig kehrte Ruhe ein. Die Clanchefs lehnten sich erwartungsvoll auf ihren Stühlen zurück und starrten an Hamishs Schulter vorbei auf die Person, die offenbar durch diese Tür getreten war.
Hamish runzelte die Stirn. Es konnte sich nur um seine Mutter handeln. Was hatte sie vor? Wollte sie sich etwa in diese Männerrunde mischen und ihn vor all diesen Männern demütigen? »Mutter? Was …?« Er ballte die Faust, als er herumfuhr, und seine Augen funkelten wütend. Im nächsten Moment weiteten sie sich vor Überraschung und Schreck. Nicht nur Elizabeth McPherson stand dort in der geöffneten Tür und wurde von den Chieftains unverhohlen angestarrt.
Hamish rang um seine Fassung und starrte den hochgewachsenen Mann neben seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester Rianna an wie ein Gespenst. »Bru… Bruder«, stieß er schließlich hervor und stand unwillkürlich auf. »Connor!« Sein Bruder war zurückgekommen, um seinen angestammten Platz als Ältester und Nachfolger Rob McPhersons einzunehmen. Hamishs Wut flammte auf und riss ihn aus seiner Erstarrung. Er richtete sich auf, straffte die Schultern und fand endlich seine Sprache wieder.
»Du bist hier nicht willkommen, Connor! Vater hat dich enterbt! Hast du das etwa vergessen? Was also willst du hier?« Die Worte sprudelten nur so über seine Lippen. »Willst du etwa meinen Platz
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