Die schottische Rose
einigen Tagen auf dem Carn Glaschoire an der alten Thingstätte der Clans.«
Juliet nickte. »Gut, wir sollten die Zeit bis dahin nutzen, Sir Archibald. Ich werde gleich morgen früh mit meinen Vorbereitungen für die Reise nach Mandrake Manor beginnen.« Juliet stand lächelnd auf und ging zur Tür. Doch dann blieb sie abrupt stehen und drehte sich zu Sir Archibald herum. »Noch etwas, lieber Sire. Habt Ihr zufällig meinem Wunsch entsprochen und …«
»Eure Kutsche wurde ordentlich ausgeräuchert, Milady«, erriet der Patriarch ihre Frage. Als Juliet die Brauen hob, grinste der massige Mann trotz des Ernstes der Lage. »Jetzt, Lady de Germont, dürftet Ihr nicht mehr nach Schwein stinken, wenn Ihr bei den McPhersons auftaucht. Sondern nach gut geräuchertem, saftigem Hinterschinken!«
*
Die mit einem Umhang und einer Kapuze verhüllte Gestalt an der nur angelehnten Tür des Turmzimmers stieß sich rasch von dem Türrahmen ab, als sie Juliets rasche Schritte hörte.
Schnell und lautlos verschwand die Gestalt um die Ecke des kurzen Ganges zur Treppe hin, während über ihr Juliet auf den Flur hinaustrat, der nur von einer einzigen Fackel in einem schweren Eisenring an der Wand erleuchtet wurde.
Der Mann huschte ungesehen die Treppe hinab und bog in einen Gang ein, auf dem die Zimmer für die Gäste lagen. Einen Moment wartete er lauschend, dann eilte er zu dem hintersten Zimmer und drückte vorsichtig die geschmiedete Klinke hinunter. Sowohl die Klinke als auch die Türangeln hatte er mit etwas Kerzentalg eingerieben, bevor er sich auf den Weg zum Turmzimmer gemacht hatte, so dass die Tür lautlos auf- und wieder zuschwang – gerade noch rechtzeitig, bevor Juliet selbst in den Gang einbog und zu ihrem Zimmer strebte.
Der Mann lehnte sich an die Tür und schlug die Kapuze zurück. Das Licht der Fackel warf zuckende Schatten über das Gesicht von Sir Rupert von Atholl. Er atmete einmal durch und nickte dann zufrieden. Niemand hatte ihn bemerkt, und das Gespräch war genauso gelaufen, wie er es sich erhofft hatte. Offensichtlich hatte er diese Frau richtig eingeschätzt. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch sehr klug und gerissen. Nun, sie ist nicht die Einzige, die es vermag, Menschen zu manipulieren, dachte er. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sie reagiert, wenn sie herausfindet, dass sie selbst ein Bauer in diesem Spiel ist.
Er lächelte, als er sich korrigierte. Nein, dachte er, kein Bauer. Eher ein Springer. Oder vielleicht sogar die Dame? Das würde sich herausstellen, und zwar sehr bald.
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4. Kapitel
C onnor McPherson zügelte seinen Hengst auf dem Kamm des Hügels und atmete einmal tief durch. Es hatte ihn nicht bei seinen Gefährten gehalten, die ihm in einiger Entfernung zu Fuß folgten. Diesen Moment, den Augenblick der Heimkehr nach so vielen Jahren in der Fremde, wollte er allein genießen. Ungestört. Vor allem ohne seinen Freund Buffon O’Dermick. Dessen loses Lästermaul hatte ihm keine Ruhe mehr gelassen, seit er vom Elfenteich zurückgekehrt war und den Fehler gemacht hatte, seinem Vertrauten von der Begegnung mit der Nymphe zu berichten.
Connor stellte sich in den Steigbügeln auf und blickte über die weiten Felder, auf denen das letzte Getreide sanft im Wind wogte, zu dem künstlich aufgeschütteten Hügel vor ihm. Darauf erhob sich trotzig und abweisend Mandrake Manor, der Familiensitz der McPhersons.
Sein Blick fiel auf den hohen Turm an der Nordseite, in dessen oberstem Geschoss sein Vater das Wehrzimmer eingerichtet hatte. Der junge Connor hatte diesen Raum mit seinen Schilden, Waffen, Wappen und den schweren, vom Alter dunkel gewordenen Eichenmöbeln und den kostbaren Fellen und Teppichen geliebt und dort häufig zu Füßen seines Vaters gespielt. Was seinen Blick jetzt anzog, war nicht der Turm selbst, der aus demselben abweisenden, grauen Granit errichtet war wie die starke, trotzige Ringmauer, welche die ganze, eher hohe als ausladende Burg umgab, sondern das Banner der McPhersons, das schlaff in der windstillen Luft aus einem der Turmfenster hing. Aus dem benachbarten Fenster hing eine schwarze Fahne. Die Totenfahne.
Unwillkürlich griff Connor zu dem Bonnet in den Farben der McPhersons, das er auf seinen langen rotbraunen Haaren trug, und nahm die Kopfbedeckung ab. Er war zu spät gekommen. Das schwarze Tuch signalisierte, dass sein Vater gestorben war.
Connor presste die Zähne so fest zusammen, dass die Kiefermuskeln in seinen Wangen deutlich
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