Die schottische Rose
nicht unberechtigt war. »Ich glaube kaum, dass das nötig ist. Ich wüsste nicht, was wir noch erfahren könnten, das wir nicht schon wissen. Wie der Herzog an dieser Furt sagte …«, sie senkte die Stimme und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, um sich davon zu überzeugen, dass niemand aus dem Gefolge des Herzogs neben der Kutsche ritt und sie belauschen konnte. » … will er den McPhersons, die ja immerhin seine Verbündeten waren, sein Mitgefühl zu ihrem Verlust ausdrücken und außerdem dem neuen Chieftain seine Referenz erweisen. Pah! Was er eigentlich vorhat, dürfte ja wohl unzweifelhaft klar sein, denkst du nicht auch? Er will diese Wahl in seinem Sinne beeinflussen. Das hat Sir Rupert ja bereits während des Essens durchblicken lassen. Außerdem ist es schon schlimm genug, dass der Herzog mit mir zusammen auf Mandrake Manor eintreffen wird.« Sie sah ihre Freundin vielsagend an. »Was glaubst du wohl, werden die Chiefs und dieser Connor McPherson denken, wenn wir beide dann auch noch aus der Kutsche des Herzogs steigen, hm? Es wird schon schwer genug sein, überhaupt ein vernünftiges Wort mit ihm zu reden, wenn Sir Archibalds Schilderung dieses Mannes stimmt. Er ist ein typischer Highlander, ein sturer, konservativer und wohl auch recht barbarischer Schotte, der vermutlich ebenso wenig für Jakob übrig hat wie sein Vater. Und vergiss die Tochter des Herzogs nicht. Falls die Gerüchte zutreffen, wird sie diesen Connor McPherson keine Sekunde aus den Augen lassen. Und ich weiß immer noch nicht, wie ich …«
»Vielleicht hat sie ja auch vor, ihm die Augen auszukratzen«, wandte Nanette ein und lachte. »Hast du sie gesehen? Ich glaube nicht, dass sie es sonderlich gut aufgenommen hat, dass ihr Geliebter sie einfach zurückgelassen hat, nachdem er sie entehrt hat.« Nanettes blaue Augen leuchteten auf. »Möglicherweise will sie sich ja an ihm rächen und …«
Juliet seufzte. »Schön wär’s«, unterbrach sie ihre Freundin. »Das würde mir die Arbeit erheblich erleichtern. Aber sie würde sich wohl kaum die Mühe machen, extra dafür diese Reise auf sich zu nehmen. Außerdem solltest du nicht vergessen, dass ihr Vater, der Herzog, da auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Schließlich will er versuchen, diesen Mann auf seine Seite zu ziehen, falls seine Marionette Hamish die Wahl nicht gewinnt. Und auch wenn sich dieser Connor McPherson nicht für Jakob interessiert, dürfte er sich kaum so einfach auf Albanys Seite stellen. Immerhin hat er in Vernuil mit den Schotten gegen die Engländer gekämpft, das hat mir Sir Archibald verraten. Und Albany ist Herzog von englischen Gnaden. Das ist meine Chance. Jedenfalls hoffe ich das.« Sie seufzte. »Natürlich vorausgesetzt, dass Connor nicht genauso machtgierig und korrupt ist wie der Herzog oder wie es laut Sir Archibald der alte Rob McPherson war. In diesem Fall …« Juliet ließ den Satz unvollendet, zuckte mit den Schultern und schaute wieder aus dem Fenster. Wann kam Mandrake Manor endlich in Sicht? Sie konnte es kaum erwarten, aus dem holpernden Karren herauszukommen.
»Da ist es!« Juliet beugte sich plötzlich aufgeregt vor und streckte ihre behandschuhte Rechte aus. »Dort drüben, sieh doch!«
Nanette folgte mit dem Blick dem ausgestreckten Arm ihrer Freundin.
»Mandrake Manor!« Juliet betrachtete die abweisende Burg, die sich auf einem schroffen Felsen erhob, und ihr Herz schlug unwillkürlich schneller. Der graue Granit strahlte Härte und Unnahbarkeit aus, ein Eindruck, der von der Großen Halle, welche die beiden Türme verband, noch verstärkt wurde. Unnahbarkeit und Stolz, dachte Juliet und fröstelte. Wenn diese Feste Ausdruck des Charakters ihrer Bewohner war, würde ihre Aufgabe noch schwieriger werden, als sie vermutet hatte. Ihr Blick fiel auf den Südturm, der offenbar neu errichtet worden war, und sie sog überrascht die Luft ein. Das Holz des Fachwerkbaus, der die Spitze des Turmes bildete, leuchtete warm in der Abendsonne, und das Glas der Fenster blinkte wie Sonnenstrahlen auf einem Gewässer. Anscheinend waren die McPhersons nicht nur ein einflussreicher, sondern auch ein wohlhabender Clan. Glas war sehr teuer, und die zahlreichen Fenster allein in diesem Bau hatten gewiss ein Vermögen verschlungen. Ihr Blick glitt zu den Gebäuden, die sich unter dem Südturm drängten, und sie stieß zischend die Luft wieder aus.
»Offenbar kommen wir zu spät«, erklärte sie.
»Zu spät?« Nanette beugte sich vor, um zu
Weitere Kostenlose Bücher