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Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo MacDoherty
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sehen, was ihre Freundin meinte. »Wie …? Oh!«
    Ihr Blick glitt über die Wimpel und Fahnen, die an ihren Stangen vor den Stallungen wehten.
    Juliet überflog sie mit ihrem geübten Auge. »Die Mac-Kenzies, die Frasers, die Shaws, die Gordons, die MacLeods«, zählte sie die Clanbanner auf. »Meine Güte, es müssen mehr als fünfzehn Clans sein, die sich hier versammelt haben.« Sie ließ sich auf die harte Bank zurücksinken. »Sir Archibald hatte vielleicht doch recht«, meinte sie leise.
    »Womit?«, erkundigte sich Nanette verständnislos.
    Juliet seufzte. »Damit, wie sinnlos es wäre, zu versuchen, die McPhersons für Jakob zu gewinnen.« Sie deutete auf die Fahnen und Wimpel. »Das sind alles Hochland-Clans«, antwortete sie, »und sie haben vor allem eins gemeinsam …« Sie verstummte, als ihr Blick auf das schwarze Leichentuch fiel, das aus einem Fenster hoch oben im Nordturm hing, direkt neben dem Banner der McPhersons. Es kam ihr fast so vor, als verhöhne es sie und verkünde auf eine unheilvolle Weise den Ausgang ihrer kleinen Expedition.
    »Ja?«
    »Sie mögen sich gegenseitig bekämpfen und sich gegen die Stewarts und Albany auflehnen. Aber noch weniger sind sie an einem starken, schottischen König interessiert, der ihnen ihre Freiheit und Privilegien nimmt, selbst wenn es zu ihrem Besten wäre.«
    »Glaubst du, dass die Wahl schon vorüber ist?«
    Juliet musterte noch einmal die Fahnen und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie leise. »Aber ich fürchte, selbst wenn nicht, dürfte das Ergebnis für uns keinen Unterschied machen. Ob nun Albanys Handlanger oder dieser Connor McPherson zum neuen Chief ausgerufen wird, am Ende wird keiner von ihnen Jakob unterstützen. Es wäre schon ein Sieg, wenn wir sie überzeugen können, sich nicht offen gegen ihn zu stellen.«
    Sie fühlte sich so mutlos wie schon lange nicht mehr. Was hast du erwartet?, fragte sie sich. Dass man dich mit offenen Armen empfängt und auf ein Lächeln von dir zu Jakobs Fahnen überläuft? Sie straffte ihre Schultern und hob den Kopf. Nein, dachte sie, so einfach gebe ich nicht auf. Noch ist nichts verloren. Wer weiß, vielleicht ist dieser Connor McPherson ja gar nicht so barbarisch, wie Sir Archibald oder der Herzog ihn geschildert haben. Einen Moment lang zuckte das Bild eines faszinierenden Fremden mit stahlgrauen Augen in ihrer Erinnerung auf, und sie unterdrückte ein Gefühl böser Vorahnung. Bitte, betete sie lautlos, lass ihn so sein wie Sir Rupert, oder wenigstens wie den Herzog. Böse, vielleicht, oder undurchschaubar und machtgierig. Aber gebildet und einigermaßen zivilisiert. Mit solchen Männern konnte sie umgehen. Vielleicht hatte sie dann noch eine Chance, ihren Auftrag zu erfüllen und dem neuen Chieftain der McPhersons die Vorteile darzulegen, die es haben würde, an der Seite des zukünftigen Königs von Schottland zu stehen.
    Sie fröstelte, als sie an den Blick dachte, mit dem dieser Fremde am Teich sie gemustert hatte. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass er bis auf ihre Seele geschaut und ihre tiefsten Sehnsüchte erkannt hatte. Er hatte sie bis ins Mark verunsichert, was nicht einmal dem Herzog, einem durch und durch korrupten und gefährlichen Mann, gelungen war. In diesem Augenblick hatte Juliet gewusst, dass sie einem solchen Mann niemals, nie im Leben etwas würde vormachen, geschweige denn ihn würde zähmen oder manipulieren können.
    Sie schüttelte sich und riss sich aus ihren trüben Gedanken. Zum Glück, dachte sie, gibt es solche Männer nicht oft und wahrscheinlich nur an solch verwunschenen Orten wie an Elfenteichen. Sie lächelte und unterdrückte gleichzeitig energisch den leisen Anflug von Bedauern, der sich im hintersten Winkel ihres Bewusstseins regte.
    Im nächsten Moment rumpelte ihr Karren hinter der Kutsche des Herzogs über die gepflasterte Zufahrt zur Zugbrücke von Mandrake Manor, und ihre Aufmerksamkeit wurde von den hohen, trutzigen Mauern und den neugierigen und geröteten Gesichtern der Männer und Frauen abgelenkt, die offenbar in ihrem Sonntagsstaat an langen Tischen saßen und an den bunten Buden standen, welche die Auffahrt säumten und vor denen über rauchenden Feuern ganze Wildschweine und sogar ein Reh am Spieß gebraten wurden. Die Leute feierten offensichtlich ein Fest, und Juliet konnte sich den Anlass nur zu gut vorstellen. Schließlich verschwanden die Feiernden aus ihrem Blickfeld, als der Karren durch einen hohen Torbogen holperte, und

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