Die schottische Rose
überlegt. Meiner Meinung nach hat sie zumindest in einem Punkt recht.« Er wartete, bis sich das aufgeregte Gemurmel der Chieftains gelegt hatte, und musterte dann nacheinander die Männer an dem langen Tisch. Die Schüsseln mit dampfendem Haferbrei, das Brot und die Bierhumpen standen unberührt vor ihnen. Keiner der Männer dachte ans Frühstücken. Connors Erklärung, dass er Juliets Vorschlag folgen und an der Beratung der königstreuen Chieftains auf dem Carn Glaschoire teilnehmen wollte, hatte wie das Geschoss einer Bombarde eingeschlagen. Sein Blick blieb an seinem Bruder Hamish haften, der ihn mit brennendem Hass musterte. Aber Connor hatte im Augenblick keine Zeit, sich zu fragen, ob es einen neuen Grund für diesen frischen Hass gab.
»Wir haben nichts zu verlieren, wenn wir uns zumindest anhören, was die Clanchiefs zu sagen haben. Ich kenne Sir Archibald von Grant. Er ist möglicherweise nicht gerade ein glühender Freund meines Clans«, er betonte das Wort »Freund« nachdrücklich, »aber er ist ebenso ein Ehrenmann.«
»Ihr habt mich zu eurem Chief gewählt, weil ihr glaubt, dass ich unsere Clans am besten führen kann«, fuhr Connor fort. Sein Blick zuckte zu Hamish hinüber, dessen ohnehin düstere Miene sich bei diesen Worten noch mehr verfinsterte. »Und als euer Chief sage ich, dass wir uns die Vorschläge der Königstreuen anhören werden. Die von Argyll von Albany kennen wir ja bereits, richtig? Sir Rupert war ja so freundlich, sie uns noch einmal darzulegen.«
Er wartete, bis die Männer an der Tafel nickten. Einige zögernd, andere wie Angus Shaw eifrig oder wie William MacKenzie mürrisch. Sir Rupert von Atholl war am frühen Morgen in Begleitung Lady Aylinns abgereist. Vorher hatte er den Chieftains in der Großen Halle den Wunsch des Herzogs übermittelt, den Clan der McPhersons wie schon unter Rob McPherson an seiner Seite zu wissen. Connor musste zugeben, dass sich der junge Stewart gut gehalten hatte, angesichts der unverhüllt feindseligen Haltung, die ihm von den meisten Chieftains entgegengeschlagen war. Sir Rupert hatte sich weder provozieren lassen, noch war er beleidigt gewesen, als ihn William Mac-Kenzie geradeheraus als Spion beschimpft hatte.
»Manchmal«, hatte Sir Rupert nur kühl erwidert und dabei Connor eindringlich angesehen, »ist der, den man für einen Spion hält, ein Freund, fast ein Bruder. Der jedoch, den man an seinen Busen zieht und Bruder heißt …«
Er hatte den Satz nicht beendet, weil Angus Shaw wütend aufgesprungen war und ihn zurechtgewiesen hatte. Was fiele ihm ein, wetterte Angus, als Außenstehender die familiären Zwistigkeiten zwischen den McPhersons so schamlos auszunutzen und zu versuchen, Zwietracht unter den Brüdern zu säen?
Connor hatte geschwiegen. Er war sich nicht sicher, ob Sir Rupert wirklich nur auf die unverhohlene Eifersucht Hamishs anspielte oder mehr andeuten wollte. Doch er hatte das Thema weder vertiefen können noch wollen, zumal in diesem Moment Hamish in die Halle gekommen war.
Nach der Abreise von Sir Rupert und Aylinn war dieses Thema nicht mehr zur Sprache gekommen, worüber Connor insgeheim recht froh war. Das Verhältnis zwischen ihm und Hamish war schon gespannt genug, auch ohne dass noch jemand Öl ins Feuer goss.
Connor klopfte auf den Tisch. Das Gemurmel erstarb. »Ich werde auf jeden Fall zu diesem Treffen reiten«, fuhr er fort. »Auch allein, falls das nötig ist. Dennoch hätte ich gern eure Zustimmung.«
»Und wenn du dort feindselig empfangen wirst?« Angus Shaw, der einzige der Chieftains, der auf so vertrautem Fuß mit Connor stand, dass er ihn duzen konnte, schüttelte nachdenklich den Kopf. »Sir Archibald hält bekanntlich nicht viel von unserem Clan, und das nicht nur wegen irgendwelcher Sagenmärchen. Immerhin haben die McPhersons lange Zeit auf der Seite des Herzogs gestanden …«
»Der Herzog ist ebenso ein Ehrenmann wie Sir Archibald von Grant!«, mischte sich eine helle Stimme ein. Connor blickte seinen Bruder überrascht an. Seit dem Vorfall bei seiner Rückkehr, als er Hamish in die Schranken gewiesen hatte, hatte dieser nahezu kein Wort mit ihm gesprochen und sich auch bei den Gesprächen mit den Chieftains zurückgehalten. Umso bemerkenswerter fand Connor es, dass er ausgerechnet jetzt sprach und Partei für Argyll von Albany ergriff. Andererseits war das vielleicht nicht so überraschend. Connor betrachtete seinen Bruder nachdenklich, der errötend verstummt war, als die Chieftains ihn
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