Die schottische Rose
vorbeilief. Die Tochter des Herzogs sah weder nach rechts noch nach links, sondern eilte mit gesenktem Kopf, aufgelösten kastanienroten Haaren und einem wehenden Umhang an ihr vorbei, unter dem ein hauchdünnes Nachtgewand schimmerte, das so durchscheinend war, dass es ihren Körper eher zur Schau bot als verhüllte, einen sehr schönen, wohlgeformten Körper zudem, mit endlos langen Beinen! Das Schlimmste für Juliet war jedoch das Lächeln, das Aylinn von Albany auf ihren Lippen trug. Es war das Lächeln einer Frau, die glücklich war, befriedigt und die … einen süßen Sieg errungen hatte.
Juliet ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass sich ihre Fingernägel schmerzhaft in ihre Handflächen gruben. Sie unterdrückte ein Schluchzen, das in ihrer Kehle hochstieg. Doch dann schüttelte sie sich und straffte die Schultern. Nein! Diese Genugtuung würde sie Connor nicht geben. Sie würde nicht seinetwegen weinen! Niemals! Und mit ihm zu reden brauchte sie auch nicht mehr, jedenfalls nicht über die letzte Nacht. Was sie gerade gesehen hatte, genügte als Antwort auf die Fragen, die sie ihm hatte stellen wollen. Es war mehr als genug! Offenbar hatte Connor es kaum erwarten können, von ihrem Bett in Aylinns Arme zu eilen. Hatte er nur mit ihr geschlafen, um sie zu demütigen, zu verletzen, weil sie ihn bei den Verhandlungen mit den Clanchiefs in die Enge getrieben hatte? Wenn ja, war es ihm wahrlich gelungen. Sie war verletzt, sie fühlte sich gedemütigt. Aber sie war nicht gebrochen! Das würde ihm nicht gelingen. Und gewonnen hatte er noch lange nicht! Das sollte er sich bloß nicht einbilden.
Juliet trat aus der Nische und ging hastig den Gang zurück zum Fuß des Südturms. Sie merkte nicht, dass ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Sie musste zunächst in ihr Gemach zurückkehren und sich einen Moment sammeln, bevor sie in die Große Halle zu den anderen ging. Connor McPherson würde sich wundern! Er hatte gestern Nacht eine Saite von Juliet de Germont zum Klingen gebracht, die sie selbst noch nicht gekannt hatte. Sie war klug, intelligent und sehr geschickt bei Verhandlungen und im Umgang mit Menschen. Das wusste sie schon seit langem. Aber jetzt war sie noch mehr, viel mehr. Sie war eine Frau, die auch ihre ungezähmte und wilde Seite kannte und zulassen konnte. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn sie diese neuen Eigenschaften nicht ebenfalls einsetzen konnte, um ihr Ziel zu erreichen. Sie lächelte unter Tränen, als ihr dieser Gedanke neue Kraft gab.
Sie erreichte ihr Gemach, stieß die Tür auf, warf einen kurzen Blick auf die Zwischentür zu Nanettes Raum, die zu ihrer Erleichterung noch geschlossen war, und schob schwer atmend die Tür hinter sich ins Schloss. Dann lehnte sie sich dagegen und gab endlich dem Zweifel Raum, der ihr durch den Kopf geschossen war. Vielleicht vermochte eine Jungfrau ein Einhorn zu zähmen, jedenfalls in den alten Sagen. Aber konnte eine Frau sich auch so einfach das Kostbarste von einem Mann zurückholen, was er ihr rauben konnte?
Juliet seufzte, als sie ahnte, dass dies nicht so leicht sein würde, zumal es Connor ihr keineswegs geraubt hatte. Sie hatte es ihm geschenkt, gerne, mit Freuden und ohne jeden Vorbehalt hatte sie es ihm einfach in die Hände gelegt.
Ihr Herz.
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13. Kapitel
I ch verstehe Euch wirklich nicht, McPherson!« William MacKenzie schüttelte seinen massigen Schädel und starrte Connor verwirrt an. »Gestern Abend habt Ihr doch klar und deutlich gesagt, dass wir dieser Französin nicht trauen können, weil sie mit dem Herzog von Albany gemeinsame Sache macht, und jetzt …«
»Er hat nicht gesagt, dass er ihr jetzt traut«, unterbrach ihn Angus Shaw unwillig. »Er hat nur gesagt …«
»Aber dieses Treffen auf dem Carn Glaschoire bringt uns doch nichts, außer dass wir möglicherweise in eine blutige Fehde hineingezogen werden! Darauf habt Ihr selbst bestanden«, mischte sich jetzt auch George Donnegal ein. »Ich habe keine Ahnung, was Euren plötzlichen Gesinnungswandel herbeigeführt hat, aber …«
»Ich schon«, murmelte Buffon so leise, dass nur Connor es hörte. »Eine Nymphe, hab ich recht?«
Connor warf seinem Freund einen warnenden Blick zu, bevor er sich von der Tafel erhob, seinen Stuhl zurückschob und Ruhe gebietend eine Hand ausstreckte.
»Mir ist klar, dass meine Entscheidung euch merkwürdig erscheinen muss«, erklärte er. »Aber ich habe mir die Vorschläge von Lady de Germont heute Nacht reiflich
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