Die Schreckenskammer
Chapeillon, der auch danach den Großteil des Redens übernahm.
Jean de Malestroit blickte streng und teilnahmslos, aber ich kannte den Mann zu gut, um ihm diese leidenschaftslose Miene abzunehmen. Sein Gefesseltsein war für mich deutlich sichtbar, sowohl in seinem Mienenspiel wie auch in der angespannten Haltung seines Körpers, den er leicht vorgebeugt hatte, um besser hören zu können. Milord Gilles stand ihm in seiner scheinbaren Ungerührtheit in nichts nach, und mehr noch – er war argwöhnisch, sorglos und scheinbar gelangweilt von dem Sturm, der ihn nun verschlingen würde.
Frère Demien flüsterte mir zu: »Es ist mir unergründlich, warum er eine derartige Gleichgültigkeit an den Tag legt.«
»Mir ebenfalls«, sagte ich.
Vielleicht hatte ein Anwalt oder Rechtsbeistand ihm geraten, dass ein vornehmes Auftreten ihm vor Gericht nützen würde. Das war nicht der Büßer, den wir an Ostern gesehen hatten, dessen Sorgen die Haut seines Gesichts nach unten zogen, und auch nicht ein Mann, der in Saint-Etienne eine Katze entzweigeschlagen hatte, sondern eher jemand in der Mitte zwischen diesen beiden. Ich beobachtete ihn ununterbrochen, die Augen starr auf ihn gerichtet, als hinge mein Leben davon ab, dass ich diese Verbindung aufrechterhielt. Er sah mich kein einziges Mal wieder direkt an, sondern stand stumm da, während Chapeillon ihm vorwarf, Saint-Etienne angegriffen und einen Priester als Geisel genommen zu haben. Und, damit man es nur ja nicht vergesse, die widernatürlichen Morde an so vielen unschuldigen Kindern.
Die Schreiber führten eifrig Buch.
Am Montag nach dem Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes, im Gericht vor dem Verehrten Vater, dem Fürstbischof von Nantes, hier anwesend auf der Richterbank, um Recht zu sprechen in der großen Halle von La Tour Neuve in Nantes, erschienen in personam der ehrenwerte Guillaume Chapeillon, Ankläger besagten Gerichts, der die Ladung mit der veröffentlichten Unterfertigung vollstreckte, auf der einen Seite, und der oben genannte Milord Gilles, Ritter und Baron, der Angeklagte, auf der anderen.
»Seid Ihr bereit zum Eingeständnis der Ketzerei gegen die kirchliche Lehre?«, fragte Chapeillon.
Ich wechselte mit Frère Demien einen erwartungsvollen Blick in der Hoffnung, dass er uns allen die Qual eines langen und kontroversen Prozesses ersparen werde.
Doch Gilles de Rais fügte sich nicht. »Nein, Euer Ehren«, sagte er mit überraschender Selbstsicherheit, »ich bekenne mich dieses Vorwurfs nicht schuldig. Und auch keines anderen, der erhoben wurde. Es ist mein Wunsch, persönlich vor Euch oder jedem anderen Richter oder Inquisitor der Ketzerei zu erscheinen, damit ich mich gegen die Vorwürfe, die so fälschlich gegen mich vorgebracht wurden, verteidigen kann.«
Die Federkiele eilten hastig über die Seiten der Schreiber, als die unfassbaren Worte durch die Kapelle hallten.
Selbiger Gilles de Rais, Ritter und Baron, nach zahlreichen Anschuldigungen von Seiten des besagten Anklägers gegen besagten Milord Gilles, um festzustellen, ob er die Ketzerei gegen die kirchliche Lehre, soweit von besagtem Ankläger dargelegt, gestehen wolle, äußerte den Wunsch, in personam vor besagtem Verehrten Vater, dem Fürstbischof von Nantes, und vor allen kirchlichen Richtern wie auch vor jedem Prüfer der Ketzerei zu erscheinen, um sich gegen besagte Anklagen zu verteidigen.
Es war nicht weniger eine Kriegserklärung gegen diese bretonischen und französischen Richter, als es sein erhobenes Schwert gegen einen Engländer vor Orléans gewesen war. Wenige Schlachten in der Geschichte hatten einen so gesicherten Ausgang gehabt wie diejenige, in die sich Gilles de Rais nun so gierig zu werfen schien. Aber ein Feigling war er noch nie gewesen, deshalb hätte es uns nicht so unvorbereitet treffen sollen, wie es uns traf. Die verstörende Herausforderung hallte durch den Saal, und nachdem sie endlich verklungen war, war einige Sekunden lang nichts anderes zu hören als das Rascheln der Pergamente mit der Anklageschrift, die nun dem verblüfften Chapeillon aus den Händen glitten.
Als Seine Eminenz das Wort ergriff, war seine Stimme fest, aber gefährlich leise. »Wie Ihr wollt, Milord. Das ist Euer Recht, und man wird es so einrichten.« Die beiden wechselten Blicke kalter Verachtung wie Dolchstiche. Von der Höflichkeit und Ritterlichkeit, welche die schriftliche Niederlegung der Schreiber vermuten lassen würde, war nichts zu spüren. Mit Sicherheit würde es keiner
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